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Interview mit Jürgen Mäder

EDEKA Südwest hat 2015 die Vegithek eingeführt – einen in die Bedientheke integrierten Abschnitt mit frischen veganen und vegetarischen Produkten, der mittlerweile in rund 50 Märkten zu finden ist. Mit individuell wählbaren Mengen und der Möglichkeit, vor Ort neue Produkte wie Tofu-Aufschnitt, Lupinensteaks oder Veggie Hack verkosten zu können, hat EDEKA damit eine völlig neue Möglichkeit geschaffen, das wachsende Interesse vieler Kunden an fleischlosen Produkten zu bedienen. EDEKA Südwest engagiert sich auch im Tierschutz und hat in diesem Jahr im Rahmen der Kampagne »EndPigPain« den Recognition Award der Eurogroup for Animals erhalten.


Wir haben mit Jürgen Mäder, seit 2000 Geschäftsführer von EDEKA Südwest Fleisch, über das Konzept der Vegithek und seine Einschätzung des vegan-vegetarischen Produktsegments gesprochen. Außerdem haben wir einige aktuelle Tierschutzthemen mit ihm diskutiert.


Herr Mäder, wie kamen Sie auf die Idee mit der Vegithek? Welche Vorbehalte und Hürden gab es bei der Umsetzung?


Die Idee, fleischlose Artikel an der Frischetheke oder an der Fleisch- und Wursttheke anzubieten, entspricht dem Zeitgeist. Warum auch nicht, denn es gelten ja dieselben Bedingungen wie für Fleisch, Wurst, Käse und Fisch: Frische, keine Verpackung, individuelle Bedienung, Saisonales und Convenience Food.


Das Angebot variiert, insbesondere aus der Saisonalität heraus. Vorbehalte gab es schon: Denken wir nicht noch zu sehr in schwarz und weiß? Wie wird der Kunde argumentieren? Schaffen wir es, aus unserem Selbstverständnis heraus zu überzeugen?


Auf welche Kunden zielt das Angebot vorwiegend ab? Sind das Menschen, die auch Fleischwaren kaufen?


Ich hätte mir gewünscht, dass auch konsequent fleischlose Esser das Angebot annehmen und an die Frischetheke kommen. Da gibt es jedoch – das haben wir gelernt – grundsätzlich mentale und ideelle Barrieren. Ich verstehe das aber, wir haben das akzeptiert. Es ist also eher so, dass der Fleisch- und Wurstkonsument auch mal »fleischlos« kauft.


Wie kennzeichnen Sie die vegetarischen und veganen Produkte? Was funktioniert bei der Namensgebung gut, was weniger?


Wir haben Thekenschilder bzw. Thekenrückwandschilder mit der Kennzeichnung »Vegithek«. Wir wollen jetzt aber auch noch den Hinweis »fleischlos« anbringen. Weiter zeichnen wir dann noch vegan oder vegetarisch aus. Abteilungen, welche die Vegithek spielen, machen im Idealfall einen Rahmen auf die Thekenscheibe, bilden einen Thekenblock und/oder hängen Plakate auf. Bei der Namensgebung funktioniert eigentlich das, was der Kunde schon von den klassischen Fleisch- und Wurstartikeln kennt – nur eben in der »fleischlosen« Variante. Das wichtigste jedoch ist: Es muss schmecken!


Was kommt bei den Kunden am besten an?


Am besten kommt an, was als Beilage oder Alternative zum Fleischartikel zum Einsatz oder auf den Grill kommt. An diese Produkte sind die Kunden gewöhnt. Sie sind nicht so kompliziert zu erklären.


Wie beurteilen Sie die zurückliegende Entwicklung der pflanzlichen Fleisch- und Wurst-Alternativen? Was sind die aktuellen Herausforderungen für einen größeren Erfolg?


In der Vergangenheit wurde viel probiert und einiges kam auf den Markt. Vieles davon hat nicht gepasst oder lässt sich nur schwer unverpackt verkaufen. Die größte Herausforderung ist es, die Kondition zu haben, weiterzumachen und unser Personal zu motivieren, mit Selbstverständnis auch vegetarische und vegane Artikel zu führen und anzubieten.


Wie gehen Sie das an?


Die Einführung »fleischloser« Artikel an unseren Frischetheken ist kein Selbstläufer. Es bedarf großer Überzeugung unserer Verkaufsteams an den Theken und eines speziellen Know-Hows, denn nicht jeder Artikel ist geeignet für eine Bedientheke. Die aktuellen Herausforderungen sind, das Thema am Laufen zu halten, die gerne geführte Diskussion um den angeblich nur kurzzeitigen Trend zu überstehen und einfach mit Selbstverständnis weiterzumachen. Dazu bedarf es einfach klarer Signale unsererseits in die Märkte hinein.


Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft des vegan-vegetarischen Angebots und der Nachfrage nach diesen Produkten? Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann auch mehr pflanzliche Rohstoffe als welche von Tieren zu verarbeiten?


Ich kann mir nicht vorstellen, mehr fleischlose Artikel als Fleisch und Wurstwaren an der Frischetheke zu verkaufen. Die große Entwicklung hat hier sowieso in der Selbstbedienung stattgefunden. Wir wollen an der Bedientheke einfach etwas individueller sein und vielleicht auch die Verpackungsdiskussion etwas kompensieren. Die Fleischbranche ist gut damit beraten, ihre Hausaufgaben zu machen. Wichtig wäre aber auch, dem Verbraucher zu signalisieren, dass gutes Fleisch einen entsprechenden Preis hat, damit es wieder zu etwas Besonderem auf dem Teller wird. Das ist ein schwieriger Weg. Wir sind an all diesen Themen dran, haben schon viel erreicht und werden uns weiter für qualitatives Wachstum einsetzen.


Gibt es Produktsegmente, die in Entwicklung und Angebot an vegetarischen und veganen Alternativen noch zu wenig beachtet werden?


Produktsegmente, die entwickelt werden könnten bzw. noch fehlen, wären Braten oder Steaks – also Kurzbratenstücke – oder Artikel, die an Geflügel erinnern.


Was halten Sie von Mischprodukten, die Fleisch und pflanzliche Rohstoffe etwa zu einem Burger kombinieren?


Mischprodukte sehe ich nicht so im Fokus. Klar wäre damit ein Argument geschaffen. Man hätte einen gewissen Anteil Fleisch reduziert und sich somit auf den Weg gemacht. Das ist aber meine persönliche Meinung.


Wie bewerten Sie das Engagement großer Unternehmen (auch aus der Fleischwirtschaft), pflanzliche Fleischalternativen sowie Fleisch aus Zellkulturen auf den Markt zu bringen?


Das Engagement der Fleischbranche, sich auch mit pflanzlichen Produkten zu beschäftigen, ist aus meiner Sicht grundsätzlich gut. Es funktioniert aber nur da, wo bedingungslose Überzeugung vorhanden ist und wo fleischlose Artikel auf Augenhöhe mit den Fleisch- und Wurstklassikern gesehen werden. Fleisch aus Zellkulturen zu gewinnen – das Thema muss man beobachten. Grundsätzlich ist das ein gangbarer Weg und spannend. Aber auch hier muss es passen, insbesondere hinsichtlich der Qualität und auch preislich. Grundsätzlich könnte man heute schon durch einen bewussteren Fleischkonsum um einiges nachhaltiger handeln.


Jegliche Form der Käfighaltung ist für Konsumenten ein Sinnbild quälerischer Tierhaltung. In England haben sich mit Waitrose sowie Marks & Spencer die ersten Einzelhändler verpflichtet, künftig keinerlei Produkte aus Käfighaltung anzubieten (das betrifft Legehennen, Mastschweine und Muttersauen, Kaninchen, Wachteln sowie Enten). Könnten Sie sich diesen Ausstieg auch für EDEKA Südwest vorstellen? Wie wird es aus Ihrer Sicht für Kastenstände und Abferkelkäfige weitergehen?


Ich arbeite stets an alternativen Konzepten. »Hofglück«, unser Schweinefleisch mit dem Premiumstandard des deutschen Tierschutzbundes, ist so ein Beispiel. Wenn es gekauft wird und der Kunde das Konzept versteht, dann kann ich das auch dynamisch weiterentwickeln. Alles geht nicht von heute auf morgen – aber die Richtung ist eindeutig und klar auf Nachhaltigkeit und qualitatives Wachstum zu setzen. In unserem Ethikrat diskutieren wir auch über No-Gos, also über Dinge im Bereich der Haltung, die gar nicht mehr gehen. Schön wäre es, wenn hierzu aus der Landwirtschaft mehr Unterstützung mit Selbstverständnis käme. Das würde mir vieles leichter machen.


Welche weiteren Tierschutzthemen geht EDEKA Südwest bereits an? Welche Schritte halten Sie für wesentlich, um den Tierschutz zu verbessern und welche beabsichtigt EDEKA Südwest umzusetzen?


Tierschutz steht ganz oben auf unserer Agenda. Alleine in meinem Unternehmen habe ich zwei Tierschutzbeauftragte beschäftigt – und hole mir noch externe Unterstützung. Wir beraten unsere Schlachthöfe und diskutieren Tierschutzthemen regional, aber auch überregional in der Gruppe. Das beinhaltet alle relevanten Themen zu allen Tierarten. Das Töten männlicher Küken ist sicherlich ein Thema mit höchster Priorität. Dann sicherlich auch das Thema der Betäubung auf den Schlachthöfen. Ich interessiere mich aber auch hier für Alternativen wie das »hofnahe« Töten oder den Weideschuss.


Wir haben mit großem Interesse gehört, dass auch Sie vom Leben Albert Schweitzers inspiriert sind – wollen Sie mit uns einige Gedanken hierzu teilen?


Albert Schweitzer ist mein großes Vorbild. In vielen Diskussionen in der Familie rund um seine Person bin ich immer tiefer eingestiegen. Ein wunderbarer Mensch! Aktuell lese ich ein Buch, in dem viele seiner Briefe zitiert werden. Er hat gekämpft und vieles vorausgesehen, was uns heute Probleme macht. Seine Vielseitigkeit und sein Spagat – er war u. a. Arzt und Organist – beeindruckend! Dass er bis zur völligen Erschöpfung gearbeitet hat, ist insbesondere aus den Briefen herauszulesen. Genau wie sein Anstand und seine Ethikauffassung.


Ein Bild von ihm hängt in meinem Haus. In vielen Zimmern hängen kleine Portraitbilder, und auch im Eingangsbereich meines Fleischbetriebs hängt sein Bild mit nachdenklicher Miene, aber auch mit der Aufforderung zur Tat, gepaart mit der Botschaft, optimistisch zu sein. Ich bin dankbar dafür, dass mich das alles heute so erreicht und lenkt.


Gibt es noch weitere Gedanken, die Sie abschließend mit unseren Lesern teilen wollen?


Wir sollten uns gegenseitig respektieren und nicht zu sehr polarisieren. Veränderungen brauchen Zeit und Chance. Was jahrelang in die falsche Richtung lief, kann nicht von heute auf morgen durch »Hebel rum« geändert werden. Wichtig ist, dass man sich auf den Weg macht.Fair miteinander umgehen, das ist meine Devise. Vielleicht auch im kleineren Umfeld zu handeln ist schon ein Anfang. Kleine Schritte geben mir den Rückenwind und die innere Zufriedenheit, dass sich Dinge ändern lassen.