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PHW setzt auf In-Vitro-Fleisch

Die PHW-Gruppe ist die erste bekannte deutsche Investorin in Zellkulturfleisch. Der Mutterkonzern von Wiesenhof erwarb eine Minderheitsbeteiligung an dem israelischen Start-Up SuperMeat. Dieses arbeitet daran, Fleisch aus tierischen Muskelzellen im Labor zu züchten.

»Superfleisch« – Fleisch aus Zellkulturen

Für Fleisch aus Zellkulturen werden Tieren – im Fall von SuperMeat ausschließlich Hühnern – Muskelzellen entnommen. Nährlösungen und elektrische Reize regen sie an, sich zu vermehren und zu einem Gewebe heranzuwachsen. Die Technologie dahinter wird seit Jahren verwendet, um Herzklappen, Hautgewebe oder Ohrmuscheln im Labor heranwachsen zu lassen.


Ziel ist ein »sauberes« und ökologisch vorteilhaftes Produkt, das weitestgehend ohne Tierhaltung und -tötung auskommt. »100 Prozent Fleisch, 0 Prozent Tierleid«, so der Slogan des Unternehmens. SuperMeat vermehrt seine Zellen mithilfe einer rein pflanzlichen Nährlösung. Dies ist bei anderen Unternehmen zum Teil noch nicht der Fall, die hierfür das Serum von Kälbern nutzen.

In fünf bis acht Jahren im Supermarkt

SuperMeat will mit der Hilfe von PHW bis 2020 erste marktreife Produkte entwickelt haben und an Restaurants liefern. Für sein Großprojekt hat das Start-Up nach eigenen Angaben zuletzt 3 Millionen US-Dollar aus aller Welt gesammelt. Die Beteiligung von PHW dürfte das Kapital noch einmal deutlich erhöhen – über die genaue Summe wurde Stillschweigen vereinbart. Der größte deutsche Geflügelkonzern will das Start-Up zudem in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Positionierung am europäischen Markt beraten.


SuperMeat-Geschäftsführer und -Mitbegründer Ido Savir ist sich sicher: »Diese Partnerschaft wird es uns ermöglichen, eine revolutionäre neue Generation schmackhafter, nachhaltiger Fleischprodukte in ganz Europa und darüber hinaus auf den Markt zu bringen«. Dieses Ziel will er bereits in fünf bis acht Jahren erreicht haben. Der Preis für das »Superfleisch« soll sich dann kaum von dem für konventionelles Geflügelfleisch unterscheiden.

Eine ganz neue Wachstumsbranche

Der erste Durchbruch auf dem Gebiet des »Kulturfleischs« gelang 2013. Damals stellte der niederländische In-Vitro-Forscher Dr. Mark Post den ersten Hamburger aus Zellkulturen-Rindfleisch vor. Das Start-Up MosaMeat, das er unterstützt, will in drei bis vier Jahren seine Produkte auf den Markt bringen.


Neben MosaMeat und SuperMeat arbeiten noch weitere Unternehmen an der Zukunftstechnologie: Memphis Meats hat 2016 seine ersten Fleischbällchen aus Zellkulturen präsentiert. 2017 folgten Hühner- und Entenfleisch. Das Start-Up aus dem Silicon Valley plant 2021 mit dem Verkauf seiner Produkte – die langfristig nicht mehr als konventionelles Fleisch kosten sollen – zu starten.


Ebenfalls in Kalifornien ansässig ist Just., ehemals Hampton Creek, das durch seine vegane Mayonnaise bekannt wurde. Das Start-Up gibt an, bereits in diesem Jahr ein erstes Produkt einführen zu wollen – viel früher also als die Konkurrenz.


An Fischfilets aus Zellkulturen arbeitet unterdessen das Unternehmen Finless Foods. Das erste Produkt des jungen Start-Ups wird Blauflossen-Thunfisch sein – eine auf der ganzen Welt überfischte und vom Aussterben bedrohte Tierart.

Investition in die Zukunft

Mit der PHW-Gruppe beteiligt sich eines der größten Unternehmen in der deutschen Lebensmittelbranche an diesem Zukunftsmarkt. Zudem hat die Gruppe ein kleines Sortiment an veganen Fleischalternativen im Portfolio.


Zellkulturfleisch zielt nicht auf Vegetarier oder Veganer, sondern auf die fleischessende Mehrheit der Bevölkerung. PHWs Investition könnte sich daher als äußerst vorausschauend entpuppen. Schließlich wird immer deutlicher, dass das globale Wachstum der Fleischproduktion allein schon wegen immer knapper werdender Ressourcen nicht beliebig fortführbar ist. Hinzu kommt – zumindest aus vielen reichen Ländern – ein wachsender gesellschaftlicher Druck gegen Massentierhaltung & Co.


In das Start-Up Memphis Meats aus den USA hat der Lebensmittelkonzern Cargill letztes Jahr investiert, ebenso wie Bill Gates, Richard Branson und einige andere. Insgesamt sammelte Memphis Meats rund 22 Millionen Dollar ein. Der Konkurrent Just. wird unter anderem ebenfalls durch Bill Gates sowie durch den chinesischen Milliardär Li Ka-shing unterstützt. Auch Tom Hayes, Geschäftsführer von Tyson Foods, sieht in der Nachfrage nach Alternativen zum herkömmlichen Fleisch einen wichtigen Trend hin zu einer umweltfreundlicheren und nachhaltigeren Produktion.

Eine tier- und umweltfreundliche Alternative

Auch die Umwelt kann von Zellkulturfleisch profitieren: Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, dass eine Umstellung darauf deutlich weniger Land als die Produktion von konventionellem Fleisch verbrauchen und viel weniger Treibhausgase freisetzen würde. Der Wasserverbrauch ist zudem geringer als bei der Haltung von Rindern, Schafen und Schweinen. Einzig der Stromverbrauch ist noch sehr hoch, da die Bioreaktoren bislang einen hohen Energiebedarf haben.


Dies merkt etwa auch das Karlsruher Institut für Technologie kritisch an, das zu den Auswirkungen von »In-vitro-Fleisch« forscht, wie Fleisch aus Zellkulturen gleichfalls genannt wird. Dort sieht man allerdings ebenfalls die Chancen: »In Zukunft könnte In-vitro-Fleisch jedoch vielleicht helfen, Probleme zu lösen, die unser Fleischkonsum im Hinblick auf eine wachsende Weltbevölkerung, den Klimawandel und Tierschutz bedeutet«.


Die Mehrzahl der Deutschen möchte bisher weiterhin Fleisch essen, wünscht sich aber weniger Tierqual, wie auch der aktuelle Ernährungsreport des BMEL bezeugt. Wenn diese Mehrheit zukünftig auf Fleisch aus Zellkulturen zurückgreift, wäre das ein großer Fortschritt für Tiere, Umwelt und Klima. Eine Umfrage der Karlsruher Forscher ergab, dass die Mehrheit der Befragten dem Zellkulturfleisch nicht abgeneigt wäre.

Unser Fazit

Fleisch aus Zellkulturen wird kommen. Ob es ganz so schnell gehen wird, wie die Unternehmen ankündigen, wissen wir nicht. Bis diese Produkte preislich auf dem Niveau von konventionellem Fleisch liegen, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen. Immer mehr Unternehmen und Investoren erkennen die Potenziale und und beteiligen sich an dieser spannenden und zukunftsträchtigen Technologie.