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Aldi Nord & Süd: Gemeinsame Tierschutz-Einkaufspolitik

Aldi Nord und Aldi Süd haben kürzlich ihre erste gemeinsame Tierschutz-Einkaufspolitik veröffentlicht. Wir haben uns das Papier angesehen und fassen die wichtigsten Punkte und Neuerungen zusammen.



Generelle Maßnahmen



Aldi orientiert sich bei der Erarbeitung seiner Tierschutz-Vorgaben an den »Five Provisions and Welfare Aims«. Bereits seit einiger Zeit empfehlen wir Unternehmen, dieses Referenzmodell zu nutzen und auf das veraltete Konzept der »Five Freedoms« zu verzichten.



Aldi betont, streng auf die Umsetzung der eigenen Zielvorgaben zu achten. Sollten Geschäftspartner nicht im Einklang mit der Einkaufspolitik agieren, behalten die Unternehmen sich Sanktionen vor – bis hin zur Kündigung der Geschäftsbeziehung. Beide Aldi-Unternehmensgruppen wollen künftig ein Tierschutz-Team einsetzen, das die Umsetzung der Anforderungen und Ziele im Tagesgeschäft steuert. Dieses war bisher nur in der Einkaufspolitik von Aldi Nord vorgesehen.



Allgemeine Anforderungen für Food- und Non-Food-Artikel



Aldi Nord hatte zuletzt angekündigt, sich gegen eine über das therapeutische Maß hinausgehende Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung einsetzen zu wollen. Dieses Ziel ist jetzt auch in der gemeinsamen Einkaufspolitik enthalten. Auch auf Reserveantibiotika aus der Humanmedizin soll »wo immer möglich« verzichtet werden.



Zu Tiertransporten äußert sich Aldi jetzt etwas anders als zuvor. Während Aldi Nord bisher das Ziel hatte, »Maßgaben« für die Transporte zu entwickeln, heißt es jetzt in der gemeinsamen Richtlinie: »Wir fordern, dass die gesetzlichen Vorgaben zu der Transportdauer (max. acht Stunden) verbindlich eingehalten werden. Außerdem befürworten wir ausdrücklich ein Verbot von Lebendtierexporten in Drittstaaten.« Konkrete Maßnahmen halten wir allerdings für weit wirkungsvoller als Aufforderungen in Richtung Vollzug und Gesetzgebung, die erfahrungsgemäß ins Leere laufen, solange die Wirtschaft nicht selbst neue Standards etabliert hat.



Die folgenden Tierprodukte stehen auf der Negativliste und werden daher von beiden Unternehmen nicht gehandelt:



  • Stopfleber (Foie gras)
  • Kaninchenfleisch
  • Fleisch von geklonten oder genetisch veränderten Tieren und von deren Nachfahren
  • Wachteln und Wachteleier
  • Echtpelzwaren
  • Angorawolle
  • Mohair
  • Rohstoffe exotischer oder bedrohter Tierarten
Schmerzhafte Eingriffe – etwa die Enthornung von Rindern – sollen nur mit wirksamer Betäubung bzw. Schmerzausschaltung vorgenommen werden. Das ist ein guter Schritt. Eine schrittweise Reduktion bis hin zur Abschaffung der Amputationen wäre aber ein noch besseres Ziel. Bei Legehennen und Gänsen ist Aldi bereits soweit.



Anforderungen und Ziele für einzelne Tierarten



Geflügel



Aldi Nord hatte in seiner Einkaufspolitik früher angeführt, dass Masthühner und Puten ausschließlich mit CO2 betäubt werden dürfen. Diesen Punkt ließ Aldi Süd vermissen. In der gemeinsamen Einkaufspolitik heißt es jetzt: »Wir handeln Hähnchen- und Putenfrischfleisch nahezu ausschließlich von Tieren, die vor der Schlachtung durch die Kohlendioxidbetäubung wirksam betäubt wurden.« Außerdem dürfen Hühner und Puten nicht in Käfigen gehalten werden. Auch Haltungssysteme mit mehreren Ebenen werden ausgeschlossen.



Aldi Süd und Aldi Nord verzichten inzwischen komplett (also auch in Produkten mit verarbeiteten Eiern) auf Eiprodukte aus Käfighaltung – dieser Part fehlte zuvor in der Richtlinie von Aldi Nord, weil die Umsetzung noch nicht vollständig abgeschlossen war. Zudem verkauft Aldi seit April 2018 nur noch Eier von Legehennen mit ungekürzten Schnäbeln. Außerdem fordern Aldi Nord und Süd, die Haltungsbedingungen innerhalb von KAT zu verbessern – ein wichtiger Schritt, damit der Ausstieg aus dem Schnabelkürzen als Erfolg für den Tierschutz gewertet werden kann. Beide Unternehmen bekennen sich zudem zum Ausstieg aus der Kükentötung mit »praxistauglichen Alternativen« wie der In-ovo-Geschlechtsbestimmung. Da die derzeit auf dem Markt vorhandene Technologie das Geschlecht zu einem Zeitpunkt bestimmt, zu dem die Küken im Ei eventuell schon Schmerzen empfinden, wäre eine Förderung von Alternativen wichtig, die das Geschlecht früher erkennen können.



Für Gänse hatte Aldi Süd bereits Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungsbedingungen entwickelt. Diese finden sich jetzt auch in der gemeinsamen Einkaufsrichtlinie. Dazu gehören Wasserstellen, der ganzjährige Auslauf am Tag und der Verzicht auf Eingriffe am Tier. Lebendrupf und Stopfmast bei Enten und Gänsen sind untersagt. Zukünftig will Aldi darüber hinaus Maßnahmen erarbeiten, um die Haltungsbedingungen von Pekingenten zu verbessern.



Schweine



Aldi hat sich das Ziel gesetzt, die Bedingungen in der Sauenhaltung zu verbessern – dabei geht es vor allem um die Haltung in Kastenständen. Auch will man prüfen, ob das Hormon PMSG komplett aus europäischen oder synthetischen Quellen bezogen werden kann. Beide Themen stehen schon seit 2017 auf der Agenda, sodass zu hoffen ist, dass Aldi zeitnah Lösungen vorlegt.



Bezüglich der Ferkelkastration setzt Aldi auf die Alternativen Ebermast und Improvac. Beim Frischfleisch ist dies seit 2017 umgesetzt, was sehr erfreulich ist. Bei verarbeiteter Ware ist Aldi allerdings weniger konsequent und akzeptiert die Alternativen nur dann, wenn sie ohne Qualitätseinbußen genutzt werden können. Hier hoffen wir auf ein stärkeres Engagement, um den sogenannten Vierten Weg auszuschließen – Möglichkeiten gibt es. Der Vierte Weg bedeutet, dass die Ferkel bei der Kastration nur lokal betäubt werden, was ähnlich problematisch ist wie die Kastration ganz ohne Betäubung.



Rinder



Aldi möchte den Anteil der in ganzjähriger Anbindehaltung gehaltenen Kühe kontinuierlich reduzieren. »Wo immer möglich« sollen die Tiere mindestens in Laufstallhaltung leben. Lieferanten sollen darüber hinaus Maßnahmen erarbeiten, die den Tierschutz in bestehenden Anbindeställen verbessern. Aldi prüft außerdem den Ausschluss von Frischfleisch trächtiger Rinder unabhängig vom Trächtigkeitsstadium.



Meerestiere



Der Schutz von Meerestieren kommt derzeit kaum in der Tierschutz-Einkaufspolitik vor. Dafür finden sich Verweise auf die jeweilige Fisch-Einkaufspolitik ( Aldi Nord , Aldi Süd ). Beide thematisieren zumindest kurz den Tierschutz und lassen vermuten, dass sich hier in Zukunft noch mehr bewegen wird. Die Meerestier-Negativlisten umfassen bei beiden Unternehmen Aal, Arapaima, Blauflossenthun, Granatbarsch, Grenadierfisch, alle Haiarten (Schillerlocke), Hummer, Papageifisch, Petersfisch, Rochen, Schnapper, Stör aus Wildfang, Venusmuschel und Wittling. Bei Aldi Nord kommt noch der Großaugenthun hinzu.



Vegetarisch-veganer Bereich



Mit den Eigenmarken »Mein Veggie Tag« (Aldi Nord) und »Vegetarisch Lecker« (Aldi Süd) erweitern die Aldi-Gruppen laufend ihr vegan-vegetarisches Sortiment. Dank ihres wachsenden Engagements in diesem Bereich sind die beiden Discounter zuletzt auf den ersten beiden Plätzen unseres Vegan-Rankings gelandet. Zukünftig soll das vegane Sortiment und die Zertifizierung mit dem V-Label weiter ausgebaut werden. Mit gezielten Aktionssortimenten will Aldi seine Kunden noch stärker auf pflanzliche Alternativen hinweisen.



Aldi fordert seine Lieferanten dazu auf, auf vermeidbare Kleinstmengen tierischer Inhaltsstoffe zu verzichten – z. B. auf Lab bei der Käseherstellung. Um Weine und Säfte zu klären, verzichtet Aldi vermehrt auf Gelatine. Vegane Getränke kennzeichnen die beiden Unternehmen entsprechend mit dem V-Label.



Non-Food-Bereich



Aldi handelt wie oben erwähnt keine Echtpelzwaren und untersagt den Einsatz von Lebendrupf und Stopfmast. Auch das Mulesing-Verfahren schließt Aldi aus. Beide Unternehmen bieten zudem regelmäßig Kleidung aus Leder-Alternativen an. Das Kosmetik- und Körperpflegesortiment umfasst ebenfalls vegane Artikel, die mit der »Veganblume« der Vegan Society gekennzeichnet sind. Die Kennzeichnung der veganen Sortimente möchte Aldi weiter ausbauen.



Textilien mit Daunen und/oder Federn stellt Aldi schrittweise auf Ware mit den Zertifizierungen »Responsible Down Standard«, »Global Traceable Down Standard« oder »Downpass 2017« um. Zudem prüfen die Unternehmen, Produkte mit Schafswolle auf die Zertifizierung »Responsible Wool Standard« umzustellen.



Fazit: Mehrere Fortschritte, aber weiterhin viel Verbesserungspotenzial



Aldi Nord und Aldi Süd haben eine umfangreiche gemeinsame Einkaufspolitik vorgelegt. Wir begrüßen die schrittweise Weiterentwicklung der Tierschutzstandards, die vielen anderen Unternehmen als Beispiel dienen kann. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch ein weiter Weg vor Aldi, dem Lebensmitteleinzelhandel und der gesamten Lebensmittelwirtschaft liegt. Wenn wir in zehn Jahren die heute drängendsten Tierschutzprobleme gelöst haben wollen, dann muss sich das Entwicklungstempo erhöhen.