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1 Jahr Fleischskandal: Hühner leiden weiter

Pressemitteilung

Rund ein Jahr nach den ersten Enthüllungen über Tierquälerei für Lidl-Fleisch belegen neue Recherchevideos, dass der Lidl-Konzern trotz anhaltender Kritik aus ganz Europa nichts an seinem Umgang mit Masthühnern geändert hat. Kranke, sterbende und verwesende Hühner sowie Misshandlungen sind nach wie vor die Norm bei Lidls Hühnermästern.“

Die Aufnahmen, veröffentlicht von der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, stammen aus Mastbetrieben, die zu dem niedersächsischen Lidl-Lieferanten gehören, der bereits 2022 wegen schwerer Tierquälerei in der Kritik stand. Dieser Lieferant produziert, laut Recherchen der Albert Schweitzer Stiftung, die Lidl-Eigenmarken »Metzgerfrisch« und »Grillmeister«. Lidl beteuerte damals, dass es sich um einen Einzelfall handle und man sich darum kümmere. Die neuen Aufnahmen stammen jedoch aus zwei weiteren Mastbetrieben desselben Lieferanten. Dort wurden von 2022 bis 2023, also über einen Zeitraum von einem Jahr, ähnlich schwere Tierschutzverstöße dokumentiert. Für die Albert Schweitzer Stiftung liegt das auch am System Hühnermast. Sie fordert Lidl auf, höhere Tierschutzstandards einzuführen, so wie es bereits die Konkurrenten Aldi, Norma und andere getan haben.

Das Leid der Hühner ist in den Aufnahmen, die über mehrere Monate hinweg zwischen 2022 und 2023 entstanden, deutlich zu erkennen: Die jungen Tiere tragen schwer an ihren massigen Körpern. Sie leiden an Missbildungen, Infektionen, Herzinfarkten und anderen gesundheitlichen Folgen ihres unnatürlichen Wachstums. Im Englischen werden sie deshalb »Frankenchickens«, im Niederländischen »Plofkippen« (explodierende Hühner) genannt.

Im Stall sieht man zudem den Boden vor lauter Hühnern nicht, es gibt kein natürliches Licht und keine Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Hühner liegen in ihrem eigenen Dreck – und picken an den verwesenden Körpern ihrer Artgenoss:innen, die beim Wegräumen der vielen Toten oft übersehen werden.

Tote Küken im Mastbetrieb

Dazu kommt ein brutaler Umgang mit den Tieren: Als Küken werden sie kistenweise auf den Stallboden geschleudert. Wenn sie krank sind, drehen Arbeiter:innen ihnen buchstäblich den Hals um oder sie sterben noch langsamer und qualvoller allein. Halten sie bis zum Schlachtalter durch, werden die noch jugendlichen Hühner beim Verladen unter hohem Zeitdruck in Kisten gestopft und dabei getreten.

Trotz anhaltender Vorwürfe hat Lidl bisher keine echten Maßnahmen ergriffen, um diese alarmierenden Bedingungen zu ändern. Die Tierschutzverstöße wurden zur Anzeige gebracht.

Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt: »Seit einem Jahr decken Tierschutzorganisationen einen Skandal nach dem nächsten bei Lidl-Lieferanten auf, überall in Europa. Und die Reaktion von Lidl? Nicht mehr als Ausflüchte, Relativierungen und das Verstecken hinter nichtssagenden Tierwohllabeln. Doch jeder Mensch, der sich das Videomaterial anschaut, versteht, dass das keine Einzelfälle sind, sondern die Regel. Die Qualzucht ist das größte Problem in der Hühnermast, aber wird von Lidl verdrängt. Mit der Europäischen Masthuhn-Initiative könnte Lidl den Hühnern einen großen Teil ihres Leids ersparen. Dazu ist man dort jedoch nicht bereit.«

Mehr als 15 Organisationen fordern mehr Tierschutz von Lidl

Eine Koalition von mehr als 15 Tierschutzorganisationen aus elf europäischen Ländern prangert seit 2022 die Missstände in Hühnermastbetrieben an, die im Auftrag von Lidl arbeiten. Mittlerweile liegt Videomaterial aus fünf Ländern vor. Neben leidenden, sterbenden und verwesenden Hühnern in allen Ställen zeigen die Aufnahmen unter anderem auch wie ein Arbeiter in einen Stall uriniert (Deutschland), Arbeiter:innen Küken unsachgemäß erschlagen (Spanien, Italien) oder wie Hühner mit dem Traktor überfahren werden (Österreich, England).

Krankes Huhn

Eine Laboruntersuchung Anfang 2023 zeigte zudem, dass von 51 Proben aus acht deutschen Lidl-Märkten 71 % mit antibiotikaresistenten Keimen belastet waren. Diese Erreger können sich unter den gezeigten Bedingungen vortrefflich vermehren und sind eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr für Menschen.

Lidl versprach, die vermeintlichen Einzelfälle zu prüfen und beruft sich auf seine alten »Tierwohl«-Versprechen (ab 2026 30 % Frischfleisch aus Haltungsform-Stufe 3 und 4), die aus Sicht der Tierschutzorganisationen jedoch nicht weit genug gehen.

Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung: »Lidl will 2026 immer noch 70 % seines Fleischs aus garantiert tierquälerischer Massentierhaltung und Qualzucht verkaufen. Wir haben diese entsetzlichen Verhältnisse bereits in fünf Ländern aufgezeigt. Währenddessen passen Aldi und andere ihre Hühnerfleischstandards an die weitaus strengeren Kriterien der Europäischen Masthuhn-Initiative an. Lidls Versagen im Tierschutz ist somit nicht nur offensichtlich, sondern geradezu skandalös.«

Die Tierschutzverstöße wurden jedes Mal zur Anzeige gebracht. Die Anzeige gegen den ersten Hühnermastbetrieb, aus dem im vergangenen Oktober veröffentlichte Aufnahmen stammen, wurde zwischenzeitlich eingestellt. Aus Sicht der Albert Schweitzer Stiftung sind Gerichte und Amtsveterinär:innen oft nicht bereit, den Status Quo in der Hühnermast zu hinterfragen und als das anzusehen, was er ist: unnötige Tierquälerei.

Eine Petition, die Lidl auffordert, endlich zu handeln, haben europaweit bereits mehr als 500.000 Menschen unterzeichnet.

Die Europäische Masthuhn-Initiative

Lidls Konkurrenten Aldi, Bünting, Globus, Norma und Tegut haben sich der Europäischen Masthuhn-Initiative bereits angeschlossen und wollen zu 100 % auf die höheren Standards umsteigen. Rewe hat ebenfalls Bereitschaft signalisiert – wenn die anderen großen Supermärkte mitziehen. Lidl hat sich immerhin in Frankreich und in den Niederlanden angeschlossen, will aber im Rest Europas offenbar weiterhin Qualfleisch produzieren lassen und verkaufen.

Die Europäische Masthuhn-Initiative schreibt, anders als zum Beispiel die »Initiative Tierwohl«, gesündere Rassen vor – statt der schnell wachsenden »Frankenchickens«. Hinzu kommen Vorschriften für mehr Platz, Tageslicht und Beschäftigungsmöglichkeiten sowie für eine möglichst stressfreie Schlachtung. Die Kriterien der Initiative sind wissenschaftlich fundiert und werden von 37 europäischen Organisationen sowie rund 600 Unternehmen weltweit unterstützt.

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