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Antibiotikagebrauch in der EU

Viele europäische Länder schaffen es nicht, den übermäßigen Gebrauch von Antibiotika in der Tierhaltung einzudämmen. Dies zeigt ein aktueller Bericht der European Medicines Agency (EMA) anhand eindrücklicher Zahlen.

Beunruhigende Entwicklung

In den 25 untersuchten EU-Ländern sanken die Antibiotikaverkäufe pro berechneter »Nutztiereinheit« zwischen 2013 und 2014 nur um 2 %; konkret liegt der durchschnittliche Gebrauch somit bei 152 mg pro kg Lebendgewicht (in Deutschland bei 149 mg). Dies ist insofern bedenklich, als dass ein von der britischen Regierung in Auftrag gegebenes Papier zum Thema Antibiotikaresistenz im Mai 2016 empfohlen hatte, dass Länder mit hohem Einkommen ein kurzfristiges Ziel von 50 mg pro kg Vieh anvisieren sollten. Würde weiterhin lediglich eine jährliche Reduktion von 2 % aufrechterhalten werden, würden die europäischen Staaten dieses Ziel erst in 65 Jahren erreichen.

Einsatz hochwirksamer Antibiotika ist besonders kritisch

Besonders beunruhigend ist ein Blick auf die Verwendung hochwirksamer Antibiotika. Deren Abgabemengen stagnierten im Jahresvergleich oder stiegen sogar leicht an – und das, obwohl deren Einsatz weitreichende Gefahren mit sich bringt: Werden sie in großen Mengen in der Tierhaltung eingesetzt, werden die entsprechenden Keime resistent gegen sie. Gelangen die Keime dann entlang der Lebensmittelkette zum Verbraucher, können sie zu lebensbedrohlichen Infektionen führen.


Ein Beispiel ist die Antibiotikaklasse der Fluorchinolone, die zur Behandlung von lebensgefährlichen Krankheiten wie Lungenentzündung und der Legionärskrankheit eingesetzt wird. Während 2013 EU-weit 141 Tonnen dieser Antibiotika zur veterinärmedizinischen Verwendung verkauft wurden, waren es 2014 bereits 172 Tonnen. Ähnliche Werte liegen auch für andere hochwirksame Antibiotikaklassen vor.

Massenbehandlung von Tieren als Ursache

Tiere werden in den meisten Fällen unter mangelhaften Bedingungen gehalten: Sie leben in Betrieben mit hohen Besatzdichten, entstammen überzüchteten Linien mit schwachem Immunsystem und werden kaum Umweltreizen ausgesetzt. Da diese Umgebung die Entstehung von Krankheiten begünstigt, werden teilweise ganze Tiergruppen präventiv mit Antibiotika behandelt – auch, wenn zuvor gar keine Krankheit festgestellt wurde. Die Tatsache, dass die meisten europäischen Länder es versäumt haben, diese präventive Massenbehandlung von Tieren zu verbieten, ist laut Cóilín Nunan von der »Alliance to Save our Antibiotics« der Grund für den »schockierenden«, übermäßigen Antibiotikaverbrauch.


Laut Nunan verwendet beispielsweise Spanien 100 Mal mehr Antibiotika pro »Nutztiereinheit« als Norwegen und 35 Mal mehr als Schweden. Der Grund: In Spanien ist – wie auch in Deutschland – die Gruppenbehandlung von Tieren erlaubt, während sie in den nordischen Ländern verboten ist.


Dem EMA-Bericht zufolge werden über 91 % der Antibiotika in der europäischen Landwirtschaft für die Therapie ganzer Tiergruppen eingesetzt und mit dem Futter oder im Trinkwasser verabreicht. Dass es auch anders geht, zeigt Schweden: In dem skandinavischen Land gibt es keine routinemäßige Behandlung mit Antibiotika. Daher gehen 90 % der verabreichten Antibiotika in Schweden auf die individuelle Behandlung von Tieren zurück.

Risiken der Antibiotikaresistenz

Experten finden angesichts der Lage ungewöhnlich drastische Worte. So nennt Sally Davies, höchste Amtstierärztin bei der britischen Regierung, die Antibiotikaresistenz eine »apokalyptische Bedrohung«. Bereits heute sterben jedes Jahr 700.000 Menschen weltweit an antibiotikaresistenten Bakterien. Die Prognosen sind niederschmetternd: 2050 könnten offiziellen Berechnungen zufolge 10 Millionen Menschen weltweit an antibiotikaresistenten Keimen sterben – das sind mehr Menschen, als aktuell Krebserkrankungen zum Opfer fallen. Heute routinemäßig durchgeführte Behandlungen wie Hüft-Operationen, Kaiserschnitte oder Chemotherapien wären dann nicht nur gefährlicher als heute, sondern aufgrund des Mangels an wirksamen Antibiotika sogar lebensgefährlich.

Reaktionen und Ausblick

Im September 2016 beriefen die Vereinten Nationen ein Treffen ein. Das Thema: Die »katastrophale Bedrohung« durch antibiotikaresistente Keime. Das Resultat war die Unterzeichnung eines Papiers, das verspricht, dass die UN sich mit der »größten Bedrohung der modernen Medizin« beschäftigen wird. Was genau geschehen wird, ist allerdings unklar. Seitens der Politik ist jedoch eine klare Linie nötig: »Der Anstieg im Gebrauch von [...] kritischen Antibiotika ist alarmierend und zeigt, dass es nicht funktioniert, wenn man sich auf freiwillige Vereinbarungen verlässt«, sagt Cóilín Nunan.


Im Januar 2017 sollen Diskussionsrunden zwischen der Europäischen Kommission, dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat stattfinden. Beraten werden soll über die zukünftige Gesetzgebung in der Veterinärmedizin. Das Parlament hat ein Verbot von routinemäßiger Antibiotikagabe vorgeschlagen – dies wurde bisher jedoch weder vom Ministerrat noch von der Kommission akzeptiert.


Aus unserer Sicht muss schnell und durchgreifend gehandelt werden: Dass es möglich ist, auf die Massenbehandlung von Tieren zu verzichten, zeigt das Beispiel Schweden. Dies muss umfassend umgesetzt werden. Ohne gewisse Verbesserungen in der Haltung wird der Wechsel zu einer individuellen Behandlung jedoch nicht möglich sein. Da diese Schritte Mensch und Tier zugute kommen, sollten sie erst recht angegangen werden. Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft raten wir, in diesem Punkt nicht auf die Politik zu warten, sondern schon jetzt gemeinsam mit ihren Lieferanten Fakten zu schaffen.