Aktuell gibt es fünf Möglichkeiten, mit der neuen Rechtslage umzugehen:
Die Geschlechtsbestimmung im Ei. Diese erfolgt derzeit je nach Verfahren nach neun bis 13 Tagen der Bebrütung: Eier mit männlichen Embryonen werden aussortiert, zerstört und als Futtermittel verwendet; Eier mit weiblichen Embryonen werden ausgebrütet. Ab 2024 muss die Geschlechtsbestimmung im Ei spätestens bis einschließlich zum sechsten Tag der Bebrütung erfolgen. Bis zu diesem Tag ist davon auszugehen, dass die Embryonen noch kein Schmerzempfinden haben.
Das Festhalten an den Legehybriden und das Ausbrüten aller Zuchteier. Hier wird weiterhin der Fokus darauf gesetzt, Legehennen zu erhalten, die möglichst viele Eier legen. Die männlichen Küken werden nach dem Schlupf aussortiert und gemästet – sie wachsen aber sehr langsam.
Den Umstieg auf Zweinutzungshühner. Hier werden Rassen/Hybridlinien eingesetzt, bei denen die weiblichen Tiere nicht ganz so viele Eier legen wie die Legehybriden. Dafür wachsen ihre männlichen Geschwister relativ schnell und können besser für die Mast genutzt werden als die Brüder der Legehybriden.
Man importiert Junghennen (angehende Legehennen, die noch keine Eier legen) oder Eier/Eiprodukte aus dem Ausland. Dort ist das Töten der männlichen Küken noch nicht verboten und wird auch durchgeführt, solange keine anderslautenden Vereinbarungen getroffen (und kontrolliert) werden.
Noch in der Entwicklung befindet sich ein gentechnisches Verfahren, das dazu führt, dass männliche Embryonen im Ei absterben.
Probleme in der Praxis
Die fünf Methoden sind sehr unterschiedlich zu bewerten:
An der Geschlechtsbestimmung im Ei ist zu kritisieren, dass sie derzeit noch zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, an dem nicht auszuschließen ist, dass die Hühnerembryonen Schmerzen empfinden, wenn die Eier zerstört (gehäckselt) werden.
Am Festhalten an Legehybriden und der Mast der männlichen Küken ist zu kritisieren, dass es dafür keine konkreten rechtlichen Vorgaben gibt. Nach unserem Kenntnisstand führt das häufig dazu, dass:
lange Tiertransporte in Kauf genommen werden und die Küken von Deutschland z. B. nach Polen gebracht werden, um sie dort zu mästen,
die Haltungsbedingungen schlecht sind,
die Küken aus Kostengründen nur wenig Futter bekommen und hungern,
die Mast so kurz ist, dass das Fleisch der Tiere nicht für den menschlichen Konsum, sondern nur als Tierfutter verwendet werden kann,
die Schlachtmethoden qualvoll sein können (insb. Fehlbetäubungen im Elektrowasserbad),
es keine Vorgaben zu Transport, Mast und Schlachtung gibt, oder es zwar Vorgaben, aber keine Kontrollen gibt.
An beiden Methoden ist zu bemängeln, dass sie nichts daran ändern, dass Legehennen auf maximale Legeleistung gezüchtet werden. Das führt zum einen zu diversen Problemen bei den Hennen (Qualzucht) und zum anderen dazu, dass sich ihre männlichen Geschwister kaum für die Mast eignen.
Ein Umstieg auf Zweinutzungshühner würde diese Probleme lösen und würde auch juristische Risiken (z. B. eine Tierschutzverbandsklage) minimieren.
Junghennen oder Eier/Eiprodukte aus dem Ausland zu importieren, unterläuft die deutschen Tierschutzstandards, sofern das Kükentöten dort weiterhin praktiziert wird. Das ist klar abzulehnen.
Gentechnische Veränderungen an Tieren sehen wir und auch die breite Öffentlichkeit sehr kritisch. Über das oben erwähnte Verfahren liegen uns keine Informationen vor, die zu einer anderen Bewertung führen könnten.
Lösungsmöglichkeiten
Wie oben angedeutet wäre der Umstieg auf Zweinutzungshühner die beste Lösung für das Qualzuchtproblem. Außerdem müssen Vorgaben für die Haltung der Hennen und die Mast ihrer männlichen Geschwister eingehalten werden, um Qualhaltung zu vermeiden.
Wenn sich die Eierindustrie und ihre Großabnehmer nicht zum Umstieg auf Zweinutzungshühner durchringen können, dann wäre die Geschlechtsfrüherkennung im Ei eine – wenn auch schlechtere – Alternative. Hier muss ein Fokus darauf gesetzt werden, möglichst bald Verfahren einzusetzen, die das Geschlecht zu einem Zeitpunkt feststellen, zu dem die Embryonen definitiv noch kein Schmerzempfinden haben. Solange das noch nicht so ist: Ein eventueller, kurzer Schmerz beim Zerhäckseln der Eier und Embryonen ist aus unserer Sicht »besser« als Transport, Mast und Schlachtung unter schlechten Bedingungen.
Wie bei allen Tierprodukten ist es auch bei Eiern ratsam, die verbrauchten Mengen zu reduzieren – sei es über die Umstellung von Rezepturen, den Einsatz von pflanzlichen Alternativen oder über das Anstoßen von Veränderungsprozessen im Verhalten von VerbraucherInnen.
Stand der Dinge
Weil uns keine Erhebungen darüber bekannt sind, welche der oben vorgestellten Methoden wie verbreitet sind und welche konkreten Vorgaben sowie Kontrollen es gibt, werden wir in einem ersten Schritt den Lebensmitteleinzelhandel zum Stand der Dinge befragen.