Interview: Sodexos Food-Strategie
In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein immer mehr an Bedeutung gewinnen, setzt Sodexo mit seiner Food-Strategie ein starkes Zeichen im deutschen Markt. Mit einem innovativen Ansatz, der pflanzenbasierte Ernährung in den Mittelpunkt stellt, hat das Unternehmen einen Weg eingeschlagen, der nicht nur den ökologischen Fußabdruck reduziert, sondern auch den Geschmack und die Flexibilität für die Gäste in den Vordergrund stellt.
Im Interview mit uns gibt Alexander Weiß, Head of Communications Germany bei Sodexo, Einblicke in die Hintergründe dieser Strategie, ihre Umsetzung im Alltag und die Ziele, die das Unternehmen damit verfolgt.
Herr Weiß, welche Food-Strategie verfolgt Sodexo für den deutschen Markt?
Sodexo hat sich weltweit das Ziel gesetzt, DER Food-Service-Anbieter für »nachhaltiges Essen« zu werden. Dieses Leitmotiv prägt auch unsere Food-Strategie in Deutschland. Hier haben wir im Januar 2024 einen in unserer Branche einzigartigen Ansatz vorgestellt. Alle Rezepte haben eine komplett pflanzenbasierte Basis. Dazu haben unsere Food-Entwickler jedes Rezept unter die Lupe genommen und gezielt tierische Zutaten durch pflanzliche Alternativen ersetzt. Mit dieser Weiterentwicklung der Basisrezepturen, die nun komplett ohne tierische Produkte auskommen, reduzieren wir den CO2-Fußabdruck eines jeden Gerichts – und zwar ohne, dass es für den Gast direkt erkennbar wäre. Darauf aufbauend gibt es ein Baukastensystem: Der Betriebsleiter, der Kunde und der Gast entscheiden, ob sie das Gericht erweitern wollen beziehungsweise ob Komponenten ausgetauscht werden. Der Vorteil für den Gast: viel Flexibilität. Der Vorteil für unsere Kunden, die Umwelt und Sodexo: ein klarer Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Was heißt das denn im Alltag ihrer Restaurants?
Was auf der Speisekarte steht beziehungsweise in der Theke an der Essensausgabe zu finden ist, hängt in erster Linie von den Wünschen der Kunden, den Erwartungen der Gäste und natürlich auch von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Bei den meisten Betrieben gilt: Welche Proteine – ob pflanzlich oder tierisch – auf dem Speiseplan stehen, entscheiden unsere Küchenchefs mit den Kundenansprechpartnern und tauschen gegebenenfalls Elemente aus. In einigen Betrieben hat der Gast selbst die Wahl und darf direkt am Counter zwischen „Planted Patty“ oder „Rinder Patty“ entscheiden. Ergänzend gibt es dann noch das so genannte „Add On-Prinzip“: Ein vollwertiges pflanzenbasiertes Gericht wird auf Wunsch zusätzlich um eine tierische Komponente erweitert.
Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Wir wollen unser Baukastensystem in allen unseren Restaurants in Deutschland im Einsatz haben – mit einem möglichst hohen pflanzenbasierten Anteil, aber immer ausgerichtet auf die Wünsche und Bedürfnisse des jeweiligen Betriebs. Unsere neue Food-Strategie ist der neue Standard, den wir bei allen Bestandskunden und bei allen potenziellen Neukunden vorstellen.
Wo sehen Sie Parallelen zwischen der »Vegan Default«-Strategie in den USA und der Strategie in Deutschland? Welche Unterschiede gibt es gegebenenfalls?
Lassen Sie mich kurz einordnen was mit »Vegan by Default« gemeint ist: Ein Pilotprojekt in Sodexo-Campus-Restaurants in den USA hat gezeigt, dass die Umstellung von Fleisch als Standard auf einen Pflanzen-Standard dazu führt, dass 81 % der Studenten pflanzliche Mahlzeiten wählen. Die Reaktion war so positiv, dass das Konzept auf weitere Universitäten erweitert wurde. Bei College-Studenten war dieser Ansatz also genau der Richtige! Das Beispiel zeigt jedoch auch: Das Angebot muss immer auf die Zielgruppe passen. Unsere Betriebsrestaurants sind wesentlich heterogener als die Zielgruppe bei den US-Kollegen. Von Büroangestellten bis zu Produktionsmitarbeitern. Von innenstädtischen bis zu ländlichen Betrieben. Wir glauben an den Ansatz der persönlichen Gespräche mit unseren Ansprechpartnern, in denen wir alle Optionen aufzeigen. Dabei legen wir für jeden Betrieb individuell das optimale Konzept fest. »Vegan by Default« wäre hier freilich auch nicht ausgeschlossen, aber eine Entscheidung, die das Team vor Ort am besten treffen kann.
Was sind die Gründe für Sodexo, pflanzliche Gerichte in den Fokus zu stellen? Welche Nachhaltigkeitsziele nehmen Sie durch diese Strategie in den Fokus?
Sodexo hat sich dazu verpflichtet, von 2017 bis 2025 seine CO2-Emissionen um 34 Prozent zu senken. Bis 2040 wollen wir CO2-neutral sein. Dies geht nur, wenn wir an der größten Stellschraube ansetzen. Den größten Einfluss auf die Ökobilanz haben Fleisch- und Milchprodukte. Global liefern sie nur 18 % aller Kalorien und 37 % aller Proteine. Ihre Herstellung benötigt jedoch 83 % aller landwirtschaftlichen Flächen. Wenn sich mehr Menschen pflanzlich ernähren, brauchen wir weniger Flächen zur Aufzucht von Nutztieren. Ein Gericht im klassischen Speiseplan bei Sodexo hatte für eine Woche mit vier Hauptgängen (ohne Suppen, Desserts) 1.100 g CO2-Ausstoß. Manche Gerichte, vor allem die stark fleischbasierten, lagen höher. Mit unserer neuen Food-Strategie sparen wir durchschnittlich 600 Gramm CO2 pro Gericht im Vergleich zum klassischen Speiseplan ein. Unsere InGreen-Linie, die rein vegan ist und nur das Hauptgericht umfasst, hat durchschnittlich einen Wert von 320 g CO2.
Welche Erfahrungen konnten Sie bisher mit der Einführung der neuen Food-Strategie machen? Wie wird das Angebot angenommen?
Wir sind überwältigt von den positiven Reaktionen. Unser Baukastensystem mit pflanzenbasierter Basis ist mittlerweile sogar preisgekrönt. Im Juni hat unser Konzept den Award in Silber der Fachzeitschrift GV Praxis gewonnen. Das ist vor allem eine Auszeichnung für unsere Food-Entwickler, die über ein Jahr lang viel Zeit und Energie in die Anpassung aller Rezepte investiert haben. Mit unseren Kunden sind wir seit Anfang des Jahres dazu im Austausch. Das Interesse an einem hohen pflanzenbasierten Anteil ist groß – vor allem in Bürobetrieben. Der pflanzenbasierte Anteil an unserem Gesamtangebot steigt so ganz natürlich. Einen großen Meilenstein haben wir bereits erreicht: Über drei Viertel unseres Gesamtangebots in diesem Geschäftsjahr sind heute schon pflanzenbasiert.
Welche internen und externen Herausforderungen sehen Sie in der Umsetzung? Gibt es auch Kritik und falls ja, wie gehen Sie damit um?
Kritik haben wir bislang keine erlebt. Aber viel Neugier, in Einzelfällen gepaart mit etwas Skepsis, die man aber in der Regel schnell ausräumen kann. Unser Ansatz ermöglicht eine sehr große Bandbreite an Optionen: mit einem traditionellen tierischen Anteil bis hin zu komplett pflanzlichen Betriebsrestaurants. Die größte Herausforderung: Der Ansatz muss erklärt werden! Dies war auch intern bei Sodexo zunächst eine zentrale Aufgabe. Unser Baukastensystem nimmt niemandem etwas weg. Dies gilt es in Gesprächen immer deutlich zu machen. Wir haben kein Interesse an einer ideologischen Debatte. Im Mittelpunkt steht immer, was der Gast will. Wir eröffnen neue Optionen an der Theke und eliminieren in der Rezeptentwicklung bereits unnötige tierische Zutaten. Wir wissen: Essgewohnheiten und Ansprüche gehen manchmal auseinander. Besonders lange Schlangen bilden sich auch bei uns nach wie vor bei den Klassikern: Pasta Bolognese, Schnitzel und Currywurst. Auf der anderen Seite wissen wir: Das Interesse an pflanzenbasierten Menüs wächst – und immer mehr Gäste kommen explizit für die fleischlosen Angebote in unsere Restaurants.
Welche Kommunikationsmaßnahmen begleiten das neue Angebot? Was hat sich als erfolgreich herausgestellt?
Kommunikation ohne erhobenen Zeigefinger! Die Entscheidung, wie man sich ernährt, ist sehr persönlich und bleibt immer den Gästen selbst überlassen. Wer pflanzenbasierte Gerichte wählt, tut das, weil sie gut schmecken. Das ist unsere Hauptbotschaft. Unsere Kommunikation macht ergänzend dazu deutlich, welchen Einfluss die eigene Essensentscheidung haben kann. Genau dafür haben die Gäste auch ein offenes Ohr. Unsere eigene Umfrage mit YouGov im Frühjahr hat ergeben: Am Arbeitsplatz ist das Potenzial für mehr Fleisch-Alternativen besonders groß. Wenn sich der eigene Arbeitgeber zum Wohle von Nachhaltigkeit und Klimaschutz entscheidet, weniger Fleisch im Betriebsrestaurant anzubieten, würden das 63 Prozent der Befragten (eher) unterstützen. 69 Prozent geben an, sie wären neugierig auf das Angebot und 65 Prozent fänden eine solche Anpassung »zeitgemäß«. Das sind sehr vielversprechende Zahlen!
Wie konnten Sie beim Ausbau des pflanzlichen Angebots die Kooperation mit der Albert Schweitzer Stiftung im Rahmen des Programms »Plant Potential« in Ihre Arbeit integrieren?
Die Albert Schweitzer Stiftung ist für Sodexo bereits seit September 2023 ein wertvoller Sparringspartner rund um unseren pflanzenbasierten Ansatz. Unser CSR-Team und unsere Food-Entwickler tauschen sich regelmäßig zu Erfahrungen, Fortschritt und Erwartungen der Gäste aus. Die Kolleginnen und Kollegen der Albert Schweitzer Stiftung geben uns hier immer wieder einen wertvollen Blick von außen rund um die Kommunikation unseres Angebots. Ein Beispiel hierfür ist die Unterstützung bei der optimalen und attraktiven Benennung unserer Plant-Based-Gerichte auf den Speiseplänen und Menüaufstellern, um die Gäste für die Gerichte zu begeistern und den Fokus auf den Geschmack zu legen. Besonders wichtig für uns: Die Albert Schweitzer Stiftung ist mit vielen Unternehmen in Kontakt. Ihr Input hält uns auch immer wieder den Spiegel vor, wo wir auf unserer Reise stehen.
Gibt es noch weitere Pläne bei Sodexo, die Sie mit unseren LeserInnen teilen wollen?
In diesem Herbst setzen wir unsere erfolgreiche Partnerschaft mit Haya Molcho fort. Auch hier spielt ein hoher pflanzenbasierter Anteil eine große Rolle: 12 von 18 neuen Gerichten sind komplett vegan oder vegetarisch. Haya Molchos Gerichte stehen vor allem für Kreativität und Frische. Unsere Gäste haben Lust auf Essen aus aller Welt und Fusion-Gerichte. Insbesondere bei unseren Kunden in Großstädten ist hochwertiges und authentisches Essen mit frischen, saisonalen Zutaten und internationaler Vielfalt stark nachgefragt. Vor diesem Hintergrund stellen wir im Oktober gemeinsam mit Haya Molcho ein Kochbuch vor, bei dem wir die Vielfalt von Sodexo in all seinen Facetten zeigen. Auf dieses Projekt sind wir stolz. Sechs Köchinnen und Köche aus unseren Betrieben mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen interpretieren Rezepte aus ihrer eigenen Kindheit gemeinsam mit Haya Molcho. Auch diese Kooperation ist Teil unserer Gesamtstrategie, mit moderner, nachhaltiger Küche zu punkten.
Herzlichen Dank für das Gespräch!