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Krankheitserreger auf Lidl-Fleisch

Die Ergebnisse einer europaweiten Untersuchung zeigen, dass Hühnerfleisch bei Lidl besorgniserregend oft mit antibiotikaresistenten und anderen Krankheitserregern belastet ist. Jede zweite Probe wies Bakterien auf, die gegen ein oder mehrere Antibiotika resistent sind. Zudem fanden sich auf vielen Proben Fäkalkeime und Erreger von Durchfallerkrankungen. Besonders gefährlich können diese Keime für Kinder, ältere Menschen und Personen mit geschwächtem Immunsystem sein.

Insgesamt wurden 142 Eigenmarkenprodukte aus 22 Lidl-Filialen in Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und Polen durch ein unabhängiges Labor in Deutschland mikrobiologisch geprüft. Die Untersuchung haben die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, Animal Welfare Observatory, Essere Animali, Open Cages, die Fundacja Alberta Schweitzera und Otwarte Klatki in Auftrag gegeben. Der Fokus lag auf den wichtigsten Bakterien im Zusammenhang mit Lebensmittelinfektionen. Die Ergebnisse:

Antibiotikaresistenzen

Das Labor testete die Fleischproben auf ESBL-bildende Erreger, das sind potenziell multiresistente Bakterien, sowie auf MRSA (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus) und wurde bei der Hälfte aller Proben fündig. Von den Proben aus Deutschland war ein Drittel belastet. Von den spanischen waren es sogar 71 % und von den englischen 58 %. Die resistenten Keime können zum Beispiel Harnwegsinfektionen, Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen hervorrufen, die auch tödlich enden können.

Fäkalkeime

Auf 75 % aller Proben fand das Labor zudem Fäkalkeime: Enterokokken, Escherichia coli oder beide. Sie sind Indikatoren für einen Kontakt des Fleischs mit dem Darminhalt der Tiere. Diese Keime können beim Menschen Durchfälle, Harnwegsinfekte, Blutvergiftungen oder andere Organerkrankungen verursachen. Bei den deutschen Proben betrug der Anteil an mit Enterokokken belasteten Proben überdurchschnittliche 67 %. Mehr Enterokokken-Treffer gab es nur bei den polnischen Proben mit 80 %. E. coli konnte das Labor auf der Hälfte der deutschen, auf 75 % der italienischen und auf 83 % der spanischen Proben nachweisen.

Salmonellen

Salmonellen fand das Labor auf 9 % der Proben. Diese stammten aus Polen und vor allem Italien, von wo 46 % der Proben belastet waren. Salmonellen können bei Menschen in schweren Fällen zum Beispiel zu Blutvergiftungen führen.

Listerien

Auf einem Drittel aller und einem Viertel der deutschen Proben hat das Labor Listerien nachgewiesen. In Italien waren sogar 54 % der Proben belastet. Eine Infektion mit Listerien kann bei Ungeborenen zu schweren Schäden bis hin zu Fehlgeburten und bei Menschen mit geschwächter Immunabwehr zu schweren Erkrankungen führen, die zu einem hohen Anteil tödlich enden.

Campylobacter

Auf jeder zweiten Probe aus Deutschland fand das Labor Campylobacter, die Durchfälle bis hin zu Lähmungserscheinungen verursachen können. Die Belastung der deutschen Proben war überdurchschnittlich. Getoppt wird das nur von Spanien, wo der Anteil der belasteten Proben bei 83 % lag.

Alle Proben wurden zwischen Dezember 2023 und März 2024 gekauft. Die Kühlkette wurde dabei streng überwacht und eingehalten. Die Proben aus Deutschland – Steaks, Schenkel, Keulen, Flügel und Schnitzel – stammten alle von der Lidl-Eigenmarke »Metzgerfrisch« und aus Haltungsform 2 (»Stallhaltung Plus«). Sie wurden in Lidl-Filialen in Berlin, Oldenburg, Duisburg und Koblenz gekauft.

Gefährliche Krankheitserreger aus dem Stall

Die Herkunft solcher Keime liegt nach Ansicht von ExpertInnen zu einem großen Teil in der Massentierhaltung. Denn die Zustände in den Ställen mit riesigen Herden überzüchteter und gestresster Tiere sind ein Paradies für Krankheitserreger. Ist ein Tier erkrankt, erhalten alle, meist mehrere Tausend Tiere, Antibiotika. Das fördert die Entstehung resistenter Bakterien.

»Man darf nicht vergessen, dass Antibiotika seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft missbräuchlich eingesetzt werden. Völlig gesunden Tieren werden Antibiotika verabreicht, die sie eigentlich nicht brauchen. Und das nur, um qualgezüchtete Tiere in überfüllten Ställen profitabel halten zu können«, erklärt Dr. Rupert Ebner, Tierarzt und ehemaliger Vizepräsident der Bayerischen Landestierärztekammer.

Geringere Besatzdichten, kleinere Gruppen und gesündere Zuchtlinien könnten den Einsatz von Antibiotika und das Risiko für Krankheitserreger dagegen senken. Allein durch den Umstieg auf langsamer wachsende Rassen konnten die Niederlande den Antibiotikaeinsatz in der Hühnermast um 40 % verringern.

Antibiotikaresistenzen: Die »stille Pandemie«

Antibiotikaresistenzen zählen zu den zehn häufigsten Todesursachen weltweit. Weltweit sterben jedes Jahr etwa fünf Millionen Menschen mit und davon 1,27 Millionen an antibiotikaresistenten Bakterien, schätzen ExpertInnen. In Deutschland sind es jährlich 45.700 Todesfälle, die im Zusammenhang mit resistenten Keimen stehen, und weitere 9.650, die direkt darauf zurückzuführen sind.

Fazit

Die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchung sind erschreckend. Der Ball liegt jetzt bei Lidl: Das Unternehmen muss die Ursache für die hohe Zahl antibiotikaresistenter und sonstiger Krankheitserreger auf Fleisch angehen und für eine flächendeckend bessere Hühnerhaltung bei seinen Lieferanten sorgen.