Der LEH im Tierschutz-Ranking
Pressemitteilung
Wo steht der deutsche Lebensmitteleinzelhandel beim Thema Tierschutz? Diese Frage beleuchtet die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt in ihrem heute veröffentlichten Tierschutz-Ranking. Aldi Süd, Aldi Nord und Tegut schneiden am besten ab – erreichen aber nur ein gutes Drittel der möglichen Punkte. Die Schlusslichter sind Edeka, Netto und Bela. »Insgesamt stellen wir leider fest, dass die Entwicklung hin zu besserem Tierschutz zu langsam vorangeht – trotz deutlicher Bemühungen einiger Unternehmen«, sagt Esther Rabofski, stellvertretende Leiterin des Bereichs Lebensmittel-Fortschritt der Stiftung.
Für das Ranking hat die Stiftung die Tierschutz- und Einkaufsrichtlinien von elf Supermärkten und Discountern auf den Prüfstand gestellt. Themenschwerpunkte waren dabei die Haltungsvorgaben für verschiedene Tierarten, der Ausstieg aus den »Haltungsform«-Stufen 1 und 2 sowie Tierschutz-Fortschritte für Masthühner.
Die Unternehmen auf den ersten sechs Plätzen liegen eng beieinander: Sie erreichen zwischen 31 % und 36 % der möglichen Punkte. Auf Aldi Süd und Aldi Nord mit jeweils 36 % folgt Tegut mit 35 %. Der vormalige Spitzenreiter verschlechtert sich damit deutlich im Vergleich zum letzten Ranking aus dem Jahr 2020. Einige Plätze verloren hat auch Lidl. Edeka, Netto und Bela, die bereits 2020 im unteren Drittel der Wertung lagen, konnten sich kaum oder gar nicht verbessern.
»Wir sehen zwar Fortschritte in einigen Bereichen wie der Masthuhn-Haltung, dem Ausstieg aus den besonders problematischen ›Haltungsform‹-Stufen 1 und 2 und bei Fischen; neben diesen wenigen Lichtblicken gibt es aber auch sehr viel Schatten«, sagt Esther Rabofski, stellvertretende Leiterin des Bereichs Lebensmittel-Fortschritt bei der Albert Schweitzer Stiftung. »Insgesamt schneiden alle untersuchten Unternehmen nur mäßig ab und haben noch viel Arbeit vor sich.«
»Dass Aldi im Tierschutzranking auf Platz Eins liegt, ist eine Bestätigung für unseren Kurs hin zu mehr Tierwohl«, kommentiert Dr. Julia Adou, Director National Sustainability bei Aldi Süd, das Ergebnis. »Mit der Entscheidung, bis 2030 sowohl bei der Trinkmilch, als auch bei Frischfleisch und gekühlten Wurstartikel, aus den ›Haltungsform‹-Stufen 1 und 2 auszusteigen, haben wir als erster Lebensmitteleinzelhändler eine wichtige Weiche gestellt. Aber bis dahin gibt es noch viel zu tun — eine Herausforderung, die wir gerne gemeinsam mit der Landwirtschaft, unseren LieferantInnen und unseren KundInnen angehen.«
Christian Leuthner, Bereichsleitung Einkauf, Frische, Kühlung und Bedienung bei Tegut, sieht im Ergebnis des Rankings einen Ansporn für weitere Verbesserungen: »Tegut bleibt ein Vorreiter beim Tierschutz. Mit unseren umfassenden Maßnahmen und Zielsetzungen demonstrieren wir, dass uns anspruchsvolle Vorgaben für unseren Einkauf am Herzen liegen. Das Ergebnis des Rankings zeigt aber auch, dass wir hier nicht stehen bleiben können, sondern weiter an der Anhebung unserer Standards arbeiten müssen.«
Themen im Fokus
Bessere Mindeststandards für Masthühner
Fünf der elf gerankten Unternehmen (Aldi Süd, Aldi Nord, Tegut, Globus und Norma) haben sich der Europäischen Masthuhn-Initiative angeschlossen und befinden sich in der Lieferkettenumstellung. Das Problem: Die meisten Einzelhändler machen den Fortschritt ihrer Umstellung nicht transparent. Hier stechen nur Aldi Süd und Aldi Nord positiv hervor. Sie kommunizieren die bisher erreichte prozentuale Umstellung, aufgeschlüsselt nach den Kriterien der Masthuhn-Initiative.
Ausstieg aus den Stufen 1 und 2 der »Haltungsform«-Kennzeichnung
Aus Tierschutzsicht sind die »Haltungsform«-Stufen 1 und 2 fraglos problematisch. Aldi Nord und Aldi Süd haben sich hier die konkretesten Ziele für einen Ausstieg gesetzt und berichten öffentlich den größten Umstellungsfortschritt auf die Stufen 3 und 4. Weitere Unternehmen haben unverbindliche oder weniger umfassende Pläne. Tegut, Globus und Norma nehmen weder am »Haltungsform«-Programm teil noch haben sie vergleichbare Pläne für eine Auslistung der gesetzlichen Mindeststandards.
Den Reader zum Ranking mit detaillierten Informationen zu den Ergebnissen und zur Datenerhebung finden Sie auf https://lebensmittel-fortschritt.de/leh-tierschutz-ranking-2024. Dort stellen wir Ihnen auch Grafiken zur Verfügung.
Die Ergebnisse der Unternehmen im Überblick
Wie die Unternehmen bei den einzelnen bewerteten Themen im Detail abgeschnitten haben, erfahren Sie in unserem Reader.
Die Führung des Rankings übernehmen in diesem Jahr Aldi Süd und Aldi Nord – beide erreichen mit jeweils 36 % allerdings nur ein gutes Drittel der möglichen Punkte. Die Unternehmen konnten ihre Wertung um gut zehn Prozentpunkte verbessern, weisen jedoch erneut nur einen geringen Vorsprung gegenüber den nächstplatzierten Unternehmen auf. Punkten kann Aldi u. a. mit dem Beitritt zur Europäischen Masthuhn-Initiative und der dazugehörigen Lieferkettenumstellung. Bei den Tierschutzrichtlinien für Legehennen, Küken und Junghennen stellen die beiden Unternehmen ihre Eigenmarkenprodukte auf KAT-Standards um und berichten transparent darüber. Gute Fortschritte machen sie zudem bei der Umstellung auf ITA-konforme Zertifizierungen für Tiere aus Aquakultur und bei der Zertifizierung von Tieren aus Wildfang.
Außerdem haben Aldi Süd und Aldi Nord angekündigt, bis 2030 komplett aus den besonders tierschutzproblematischen »Haltungsform«-Stufen 1 und 2 auszusteigen, und sind bei der Umsetzung den gesetzten Zwischenzielen bereits voraus. Sie formulieren auch erste kleine Schritte für die Protein-Diversifikation – bei diesem Thema sind andere Händler im In- und Ausland allerdings schon deutlich besser aufgestellt.
Tegut schreitet mit der Umsetzung der Europäischen Masthuhn-Initiative gut voran und das Ziel der vollständigen Umsetzung des Commitments bis 2025 bleibt realistisch. Eine Stärke des Unternehmens sind darüber hinaus die teilweise umfassenden Vorgaben für einzelne Eigenmarken. Durch den häufig eingeschränkten Geltungsbereich – einzelne Eigenmarken und Bio – gab es jedoch nur Teilpunkte. Eine Ausnahme bildet hier die Negativliste mit ihrem traditionell breiteren Geltungsbereich, womit sich Tegut jedoch nicht wesentlich von den anderen Unternehmen abhebt und wo ebenfalls noch viel Luft nach oben ist, u. a. beim klaren Ausschluss des Kükentötens bei Schaleneiern und verarbeiteten Eiern in Eigenmarkenprodukten.
In anderen Bereichen ist die Entwicklung weniger zufriedenstellend. 2020 hatte Tegut besonders mit seinen relativ umfassenden und konkreten Vorgaben für alle Tierarten Punkte gesammelt. Das ist aktuell bei z. B. Gänsen und Enten nicht mehr der Fall. Auch bei den übergeordneten Themen kann Tegut nicht punkten. Fortschrittlichkeit lässt das Unternehmen ebenfalls beim Umstieg auf KAT-Standards für Eigenmarkenprodukte und einem konkreten, anspruchsvollen Ziel zur Protein-Diversifikation vermissen. Tegut ist damit im Ranking prozentual der größte Verlierer, hat seine Vorreiterrolle verloren und muss jetzt sogar aufpassen, nicht abgehängt zu werden.
Kaufland hat sein Gesamtergebnis leicht verbessert. Positiv zu bewerten ist der weite Geltungsbereich bei vielen Haltungsvorgaben.
Den größten Mangel sehen wir im noch immer ausstehenden Beitritt zur Europäischen Masthuhn-Initiative. Auch beim Schutz von Fischen und anderen Wassertieren droht Kaufland hinter die Konkurrenz zurückzufallen. Offensichtliche Schwachstellen gibt es darüber hinaus bei der Umstellung der Eigenmarkenprodukte auf KAT-Standards und bei der Protein-Diversifikation. Das Unternehmen ist zwar Teil des »Haltungsform«-Programms, fällt allerdings bei Zielsetzung und Umstellung auf die Stufen 3 und 4 weitgehend hinter die Konkurrenz zurück.
Globus hat einen beachtlichen Sprung gemacht. In der Gesamtwertung landet der Supermarkt nur knapp hinter den ersten vier Unternehmen. Dies liegt vor allem an der erstmaligen Veröffentlichung einer expliziten und gesonderten Tierschutz-Policy. So wurden viele bereits geltende Vorgaben überhaupt erst für die VerbraucherInnen transparent gemacht und konnten damit bepunktet werden.
Globus ist 2021 als zweiter deutscher Lebensmitteleinzelhändler der Europäischen Masthuhn-Initiative beigetreten und war eines der ersten Unternehmen in Deutschland, die Hühnereier aus Käfighaltung komplett ausgelistet haben. Auch in fast allen sonstigen bewerteten Kategorien hat Globus deutlich zugelegt. Hohe Werte gab es beispielsweise für die Negativliste (71 %).
Negativ fällt auf, dass sich Globus bisher weder Ziele zur Abkehr vom gesetzlichen Mindeststandard bei Eigenmarkenprodukten (vergleichbar mit einem Ausstieg aus den »Haltungsform«-Stufen 1 und 2) noch bezüglich eines ambitionierten Shifts in Richtung pflanzlicher Proteine gesetzt hat.
Die Rewe Group kommt wie Globus auf 31 %. Mit der vollen Unterstützung der Europäischen Masthuhn-Initiative und der Umstellung auf entsprechende Produkte hätte Rewe einige Plätze gut machen können.
In den Tierschutzrichtlinien der Rewe Group sticht beispielsweise der recht hohe Wert bei den Milchkühen positiv hervor. In Bezug auf die Negativliste steht der Supermarkt ebenfalls recht gut da, wobei es jedoch u. a. noch am vollständigen und tierschutzfreundlichen Ausstieg aus dem Kükentöten (Schaleneier und verarbeitete Eier in Eigenmarken) mangelt. Positiv haben wir die geplante Auslistung der »Haltungsform«-Stufen 1 und 2 sowie die Fortschritte bei Standards für Fische notiert – bei beiden Themen liegen aber Aldi Nord und Aldi Süd vorn.
Norma konnte seit 2020 einen Platz gut machen und in der Gesamtwertung sein Ergebnis knapp verdoppeln. Das Unternehmen ist sehr früh der Europäischen Masthuhn-Initiative beigetreten. Es kommt bei den Tierschutzrichtlinien für die meisten Tierarten aber leider nur auf Werte im einstelligen Bereich.
Positiv heben sich die Richtlinien für Milchkühe und Kaninchen ab. Auch in den Bereichen »käfigfrei« sowie beim Verzicht auf Schnabelkürzen und Kükentöten und bei ersten Zielsetzungen zur Protein-Diversifikation ist Norma vorne mit dabei. Negativ steht dem gegenüber, dass das Unternehmen keine Ziele zur Abkehr vom gesetzlichen Mindeststandard bei Eigenmarkenprodukten (vergleichbar mit einem Ausstieg aus den »Haltungsform«-Stufen 1 und 2) veröffentlicht hat. Viel Luft nach oben gibt es auch bei der Eigenmarkenumstellung auf KAT-Standards.
Lidl ist mehrere Plätze abgerutscht. Besonders kritisieren wir, dass der Discounter sich nach wie vor weigert, der Europäischen Masthuhn-Initiative beizutreten.
Ein positiver Aspekt ist die für den deutschen Markt fortschrittliche Strategie der Protein-Diversifikation, mit der sich das Unternehmen in diesem wichtigen Bereich ganz an die Spitze gesetzt hat. So soll der Anteil pflanzlicher Proteine bei dem Discounter bis 2030 auf 20 % steigen. Die meisten pflanzlichen Produkte der Eigenmarke Vemondo werden zudem preislich den entsprechenden Tierprodukten angepasst.
Lidl nimmt an dem durch das Unternehmen selbst mit ins Leben gerufenen »Haltungsform«-Programm teil – hat jedoch bisher nur für Stufe 1 ein verbindliches Ziel formuliert, nicht aber für den Ausstieg aus Stufe 2 für alle Tierarten. Dies ist bedauerlich, da eine wirkliche Chance für die Anhebung der Mindeststandards nur gegeben ist, wenn die Händler mit allen Tierprodukten aus den beiden schlechtesten Stufen aussteigen.
Bei den Tierschutzrichtlinien und der Negativliste liegt der Discounter insgesamt weitgehend gleichauf mit Rewe und Norma. Nachholbedarf besteht hier u. a. beim allgemeinen Ausschluss des Schnabelkürzens und der Eigenmarkenumstellung auf KAT-Standards.
Trotz einer Verbesserung des Ergebnisses um gut sechs Prozentpunkte rutscht Edeka aus dem Mittelfeld um mehrere Plätze nach unten. Entscheidend dazu beigetragen hat auch hier, dass der Einzelhändler noch nicht die Europäische Masthuhn-Initiative unterzeichnet hat – und dass die Konkurrenz auch bei anderen Themen teilweise deutlich ambitionierter vorangeht.
Das Unternehmen ist zwar Mitglied des »Haltungsform«-Programms, liegt beim Ausstieg aus den besonders problematischen Stufen 1 und 2 aber noch weit zurück. Bei den Tierschutzrichtlinien reichen die Werte von 0 % bei Mastgänsen und Mastenten bis zu 43 % bei Milchkühen. Der überwiegend geringe Geltungsbereich schränkt Edekas Punkte ein: Oft bietet der Supermarkt nur lokal begrenzte Programme und Label an. Mehr Punkte könnte das Unternehmen mit Vorgaben für die gesamte Sortimentsbreite sammeln, vor allem für alle Eigenmarken. Besonders großen Nachholbedarf hat das Unternehmen beim Ausstieg aus dem Kükentöten.