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MHI-Bericht: Bessere Standards für 1,3 Milliarden Hühner

Die Masthuhn-Initiative (bzw. das European Chicken Commitment, ECC) gewinnt europaweit an Fahrt: Bereits 394 Unternehmen haben sich angeschlossen und versprechen damit höhere Tierschutzstandards für etwa 1,3 Milliarden Hühner. Hinter der Initiative steht die Open Wing Alliance, ein globales Bündnis von 95 Tierschutzorganisationen. Ihr neuer Fortschrittsbericht zeigt, wie es mit der Umsetzung der Kriterien des ECC vorangeht und verzeichnet bereits Erfolge.

Umsetzung noch nicht weit fortgeschritten

Insgesamt können zukünftig 1,3 Milliarden Hühner von den ECC-Kriterien profitieren – wenn diese umgesetzt sind. Das ist jedoch noch nicht bei allen Unternehmen der Fall, da es einige Zeit braucht, die Änderungen einzuführen. Bereits geschützt durch das ECC sind aktuell 260 Millionen Hühner. Insgesamt stammen in Europa allerdings nach wie vor 84 % der geschlachteten Masthühner aus qualvoller Turbozucht – eines der Hauptprobleme, das die Initiative angeht.

Positiv hervorzuheben ist, dass alle der zwölf größten Mitgliedsunternehmen der Initiative inzwischen über ihre Fortschritte berichten. Außerdem haben drei der größten europäischen Masthuhn-Produzenten mit der ECC-konformen Produktion im großen Stil begonnen.

Um Unternehmen, die sich neu zum ECC verpflichten, genug Zeit zur Umsetzung zu geben, hat die Open Wing Alliance die pauschale Frist bis 2026 angepasst. Nun können die Unternehmen individuelle, ehrgeizige und zugleich erreichbare Fristen festlegen.

Deutliche Vorteile für Unternehmen

Wie Tierschutz und Wirtschaftlichkeit zusammenpassen, zeigen erfolgreiche Beispiele von Unternehmen, die vorangehen:

  • Geringere Sterblichkeit: Der norwegische Produzent Norsk Kylling meldet 39 % weniger Sterblichkeit, 79 % weniger tote Tiere auf Transporten und 80 % weniger Bauchwassersucht (Aszites) seit der Umstellung. Damit blieb die produzierte Fleischmenge konstant, obwohl Norsk Kylling nun drei Millionen Hühner pro Jahr weniger »produziert«.
  • Weniger Antibiotika: Der niederländische Produzent Plukon – drittgrößter in Europa – verzeichnet einen 113-fachen Rückgang beim Antibiotika-Einsatz.
  • Keine Preiserhöhung: Die britische Supermarktkette Waitrose wird ab September 2025 zu 100 % ECC-konforme Hühner verkaufen – ohne Preiserhöhung. Während Konkurrenten 5,63 bis 6 £ pro Kilogramm verlangen, hält Waitrose den Preis bei 3,15 £.
  • Masthuhn-Initiative rechnet sich: Die beiden Einzelhändler in Europa, die bereits auf 100 % ECC-konformes Hühnerfleisch umgestellt haben – die britische Supermarktkette Marks & Spencer und der norwegische Discounter REMA 1000 – verzeichnen seit der Umstellung ein deutlich überdurchschnittliches Marktwachstum. Auch Norsk Kylling meldet höhere Gewinne.
  • Zusammenarbeit lohnt sich: Die Standards des Haltungsform-Labels, das bei vielen deutschen Supermärkten zu finden ist, wurden in entscheidenden Punkten erhöht, was sowohl auf einige engagierte Lebensmitteleinzelhändler als auch auf die langjährige Arbeit der Albert Schweitzer Stiftung zurückgeht. So erfüllt die dritte Stufe inzwischen fast alle Kriterien des ECC, wovon sogar mehr Hühner profitieren als nur unter dem Schirm der Initiative. Diese strategische Partnerschaft zeigt: Tierschutz und Wirtschaftlichkeit müssen sich nicht ausschließen.

Ländereinblicke: Große Beteiligung im LEH

In allen sechs großen Märkten in Europa – Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Polen und Italien – geht es im wichtigen Einzelhandelssektor voran, wobei sich einer oder mehrere der führenden Einzelhändler zum ECC verpflichtet haben und Fortschritte melden. Auch Unternehmen aus anderen Branchen schließen sich weiter der Initiative an, darunter der Tierfutterhersteller Hill’s.

Bemerkenswerte Entwicklungen und Hürden aus den einzelnen Ländern:

Vereinigtes Königreich: Alle großen Supermärkte mit Ausnahme von Asda haben Maßnahmen ergriffen, um die Besatzdichte auf die vom ECC geforderten Werte zu reduzieren. Bis auf Marks & Spencer und Waitrose ignorieren sie jedoch weiterhin die Forderungen nach der Einführung langsamer wachsender Rassen.

Frankreich: Alle großen französischen Einzelhändler haben ECC-Commitments abgegeben. Auch die führenden Produzenten haben entweder teilweise Commitments oder sich verpflichtet, ECC-konforme Hühner zu liefern. In Frankreich gibt es zudem Qualitätssicherungssysteme, die auf die Kriterien der Initiative abgestimmt sind. Der Produzent LDC verpflichtete sich kürzlich zur größten Umstellung bisher: 120 Millionen Hühner jährlich bis 2028 – rund 12 % der gesamten französischen Produktion. Außerdem hilft LDC anderen Unternehmen bei der Umsetzung der Kriterien.

Norwegen: Der Supermarkt REMA 1000 verkauft bereits 96 % ECC-konforme Hühner. Geliefert werden sie von Norsk Kylling, wo man bereits seit 2022 zu 100 % ECC-konform produziert. Der norwegische Ethikrat empfahl kürzlich ein Verbot schnell wachsender Rassen, wie Ross 308.

Dänemark: Der gesamte Convenience-Sektor, insgesamt rund 40 Unternehmen, hat sich der Initiative angeschlossen – ein beispielhafter Branchen-Wandel. Auch viele Tankstellen-Franchise und Lebensmitteleinzelhändler haben Commitments abgegeben. Die Tierschutzorganisation Anima wirkt auf eine Überarbeitung des nationalen Tierwohl-Labels hin und hat bisher überwiegend positive Signale erhalten.

Spanien: Sechs der zehn größten Supermarktketten haben sich zur Einhaltung der ECC-Kriterien verpflichtet. Dabei ist zu beachten, dass in Spanien nur Mercadona, Lidl und Aldi ausschließlich frisches Hühnerfleisch von Eigenmarken anbieten. Die übrigen Ketten verkaufen zu einem hohen Prozentsatz Hühnerfleisch von Herstellermarken.

Niederlande: Jumbo verzichtet als erste Kette vollständig auf Fleisch-Rabattaktionen und will bis 2030 ein Verhältnis von 60 zu 40 % bei pflanzlichen zu tierischen Proteinen erreichen.

Was Unternehmen jetzt tun müssen

Der Report zeigt: Tierschutz lohnt sich und das ECC, bzw. die Masthuhn-Initiative, könnte auf dem Weg sein, zum neuen Mindeststandard in Europa zu werden. Unternehmen, die jetzt handeln, sichern sich Wettbewerbsvorteile und stärken das Vertrauen der VerbraucherInnen. Ambitionierte Ziele allein reichen jedoch nicht: Unternehmen müssen transparent über Fortschritte berichten, detaillierte Roadmaps veröffentlichen und aktiv an der Umsetzung arbeiten.

Die Produktion von Masthühnern in der EU stieg von 2012 bis 2022 um 20 % und beläuft sich nun auf etwa 6,1 Milliarden Tiere pro Jahr – allein in Deutschland sind es 627 Millionen Tiere. Intensive Hühnermast macht dabei den größten Teil (etwa 90 %) in der EU aus. Hier müssen Unternehmen und Politik gleichermaßen Verantwortung übernehmen. Unternehmen, die bereit dazu sind, sind eingeladen, mit der Albert Schweitzer Stiftung Kontakt aufzunehmen.