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Nachhaltigere Entscheidungen durch bessere Label

Nachhaltigkeit und Ethik spielen eine immer größere Rolle bei Kaufentscheidungen. Dazu gehört auch, dass VerbraucherInnen immer größeren Wert auf das Wohlergehen der zur Lebensmittelproduktion genutzten Tiere legen. Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) hat mit der Haltungsform-Kennzeichnung einen ersten wichtigen Schritt getan, um über Haltungsbedingungen zu informieren. Doch hilft das Haltungsform-Label tatsächlich KundInnen, die – aus ihrer und gesellschaftlicher Sicht – richtige Entscheidung zu treffen?

KundInnen interpretieren Haltungsform-Label falsch

Erste Ergebnisse einer Studie des Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) und der Technischen Hochschule Nürnberg zeigen, dass das eher nicht funktioniert.

Für die Online-Studie wurden zwei Versuchsgruppen gebildet. Eine Gruppe bekam Schweinefleisch-Produkte mit dem vierstufigen Haltungsform-Label gezeigt (Kontrollgruppe), bei der anderen wurden zum bekannten Labeldesign optische Informationen zur Fläche pro Tier ergänzt (Experimentalgruppe). Das Ergebnis: Die Befragten in der Kontrollgruppe interpretierten die Stufen häufig falsch und griffen zu Produkten, die eigentlich nicht ihren Vorstellungen entsprachen. Personen in der Experimentalgruppe, die Informationen über die tatsächlich verfügbare Fläche pro Tier hatte, wählten dagegen häufiger Produkte aus höheren Haltungsstufen.

Die AutorInnen leiten die Irreführung der KundInnen vor allem darauf zurück, dass die Stufen der Haltungsform-Kennzeichnung nicht linear sind. Das heißt, die Haltungsbedingungen verbessern sich nicht in gleichbleibendem Maß von einer Stufe zur nächsthöheren. Die VerbraucherInnen nehmen dies jedoch an.

Bessere Informationen führen zu nachhaltigen Kaufentscheidungen

So nahmen die Personen in der Kontrollgruppe an, dass Schweine in Stufe 2 etwas und in Stufe 3 deutlich über einen Quadratmeter zur Verfügung haben. Tatsächlich steht jedem Tier (zwischen 50 und 110 kg) jedoch erst in Stufe 3 ein Quadratmeter zu, die Verbesserung ist also geringer als angenommen. Stufe 4 hingegen sieht 1,5 Quadratmeter plus 0,67 Quadratmeter Außenfläche vor. Das ist im Vergleich zu Stufe 3 ein enormer Sprung, weshalb die VersuchsteilnehmerInnen das Platzangebot in Stufe 4 unterschätzten.

Aufgrund der falschen Annahmen wählten Personen in der Kontrollgruppe am häufigsten (40 %) Stufe 3, danach Stufe 2 (33 %), Stufe 4 (32 %) und Stufe 1 (30 %). Die Personen in der Experimentalgruppe mit zusätzlichen visuellen Informationen wählten dagegen mit Abstand am häufigsten Stufe 4 (41 %) . Die Stufen 3, 2 und 1 wählten sie jeweils seltener als die Kontrollgruppe (39 %, 29 % und 25 %). Die StudienautorInnen sehen darin Anzeichen dafür, dass Konsum und Präferenzen divergieren.

Eine weitere Erkenntnis: Die TeilnehmerInnen ließen sich unabhängig von der Versuchsgruppe, der sie zugeordnet waren, in eher preis- und eher nachhaltigkeitsbewusste KonsumentInnen einordnen. Spannend dabei ist, dass besonders preisbewusste TeilnehmerInnen in der Experimentalgruppe häufiger zu Stufe 4 griffen als in der Kontrollgruppe. Die Entscheidung zu mehr Nachhaltigkeit wird also nicht zwingend vom Preisbewusstsein der KundInnen beeinträchtigt.

Fazit: KundInnen gut und ehrlich informieren

Eine Publikation mit den Ergebnissen der Studie ist in Vorbereitung. Das Fazit bis hierhin lautet: Gut informierte VerbraucherInnen entscheiden sich häufiger entsprechend ihrer Präferenzen. Das zu berücksichtigen kann dabei helfen, die Nachfrage nach nachhaltigen, höherpreisigen Produkten zu steigern, auch bei preisbewussten KundInnen.

Die geplante verpflichtende Haltungskennzeichnung des Bundes scheint allerdings die Fehler des Haltungsform-Labels zu wiederholen: Der Zugewinn beim Platzangebot von Stufe zu Stufe ist ebenfalls nicht linear.

Empfehlung: Vollständige Tierschutz-Kennzeichnung und höhere Mindeststandards

Wir sehen uns durch die Studie in unseren Kritikpunkten an der Haltungsform-Kennzeichnung des LEH und der staatlichen Haltungskennzeichnung bestätigt. An folgenden Punkten muss nachgebessert werden:

Haltungskennzeichnungen sind keine Tierschutz- oder »Tierwohl«-Label – werden aber oftmals als solche dargestellt (»eine echte Wahl für mehr Tierschutz«). Die niedrigen Stufen, die kaum über das gesetzliche Minimum hinausgehen, bedeuten allerdings nicht, dass es den Tieren gut geht. Auch ignorieren die Label andere Lebensphasen wie Zucht, Transport und Schlachtung oder weitere wichtige Aspekte wie Qualzucht (beide), Spaltenböden (LEH), Beschäftigungsmöglichkeiten (Bund) oder das Kupieren der Schwänze (beide). Da VerbraucherInnen sich über das Wohlergehen der Tiere informieren möchten, sind reine Haltungskennzeichnungen eher irreführend.

Auch dass die ökologische Landwirtschaft bei beiden Labeln mit bestmöglicher Haltung gleichgesetzt wird, ist irreführend. Die lückenhaften gesetzlichen Vorgaben der Bioverbände für den Umgang mit Tieren sind keine ausreichende Grundlage für diese Behauptung.

Unserer Meinung nach sollten zudem Produkte, die aus nachhaltiger oder ethischer Sicht besonders minderwertig sind, aus dem Sortiment genommen werden. Denn solange sie angeboten werden, ist das ein falsches Signal an die VerbraucherInnen, dass die Produktionsbedingungen allzu schlecht nicht sein können. In Kombination mit lückenhafter Information durch die Label führt das unnötig dazu, dass Fleisch der niedrigen Labelstufen weiterhin gekauft wird, obwohl den VerbraucherInnen das Wohl der Tiere eigentlich wichtig ist. Wir zielen mit unserer Arbeit auch deshalb darauf ab, den internationalen und nationalen Mindeststandard in der Legehennen- und Masthuhnhaltung sowie Aquakultur anzuheben.