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Pflanzliche Proteine aus Lebensmittelresten

Was gestern noch als Abfall entsorgt wurde, kann heute schon ein wertvoller Rohstoff für eine pflanzenfokussierte Ernährungswende sein. Die Nutzung dieser Nebenprodukte birgt ein riesiges Potenzial für eine nachhaltige, ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft, die Vorteile für ProduzentInnen, KonsumentInnen und Umwelt verspricht. Weltweit entwickeln folgerichtig immer mehr Unternehmen Möglichkeiten, alternative Proteine aus Nebenströmen der Lebensmittelproduktion herzustellen.

Das Interesse an pflanzenbasierten Proteinen wächst. In einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens YouGov im Auftrag des Good Food Institute (GFI) Europe wünschten sich 49 % der Befragten mehr Alternativen zu Fleisch-, Fisch-, Ei- und Milchprodukten. Knapp ein Drittel (30 %) gab an, häufiger zu pflanzlichen Fleischalternativen greifen zu wollen, ein Viertel (27 %) will häufiger Milchalternativen nutzen. Gleichzeitig wandern laut BMEL allein in Deutschland jedes Jahr knapp 11 Millionen Tonnen Lebensmittel beziehungsweise ihre Reste wie Nuss- und Obstschalen, Strünke und Blätter, Kaffeesatz oder Knochen in den Müll. Zwar fällt der größte Teil dieser Abfälle in privaten Haushalten an, doch auch die Primärproduktion, die verarbeitende Industrie und der Handel haben mit zusammen etwa einem Viertel der weggeworfenen Menge einen wichtigen Anteil.

Zwei Herausforderungen – eine Lösung: Denn das Upcycling von Lebensmitteln aus der landwirtschaftlichen und verarbeitenden Industrie zu alternativen Proteinen gilt als eine der wirksamsten Methoden zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung – eine Win-Win-Win-Win-Situation für Mägen, Geldbörsen, Tiere und den Planeten. Und so stellen bereits jetzt zahlreiche Unternehmen Fleischalternativen her, indem sie Nebenprodukte von in großen Mengen produzierten Pflanzen wie Weizen, Erbsen und Sojabohnen verwerten. Experten sind sich sicher: Dies ist erst der Anfang!

Zero Waste: Die komplette Pflanze nutzen

Schließlich sind pflanzliche Lebensmittelabfälle, die sich in menschliche Nahrung umwandeln lassen, in großen Mengen vorhanden. Das Good Food Institute schätzt, dass allein in den USA die Nebenströme nur aus der Maisproduktion schon bald 500 Millionen Tonnen pro Jahr übersteigen könnten. Hinzu kommt ein erhebliches Volumen aus dem Anbau von Soja, Weizen, Zuckerrohr, Gerste, Reis, Raps und Tomaten. Zahlreiche weitere pflanzliche Nebenprodukte eignen sich ebenfalls gut als Rohstoff für alternative Proteine. So wie die konventionelle Fleischindustrie fast alle Teile des Tieres verwende, könne die Industrie für alternative Proteine dasselbe tun und ein Lebensmittelsystem ermöglichen, das jeden Teil der Pflanze oder Biomassequelle nutzt, so die Experten des internationalen Think Tanks für alternative Proteine.

Immer mehr Regierungen zeigen sich offen für neue Wege der Proteinproduktion, schaffen entsprechende gesetzliche Voraussetzungen und fördern den wissenschaftlichen Fortschritt. Auch Europa schläft nicht: Am Dänischen Technologischen Institut (DTI) beispielsweise entwickeln Forscher derzeit im Rahmen des durch das öffentlich-private Programm Circular Bio-Based Europe ko-finanzierten Projekts ZEST ein Fermentationssystem zur Herstellung pflanzenbasierter Proteine, Nährstoffe, Nutrazeutika, Kosmetika und Verpackungen. Die Idee: Essbare Pilze, wie man sie in Supermärkten kaufen kann, werden mit landwirtschaftlichen und industriellen Nebenprodukten, also beispielsweise Rückständen aus der Zuckerrübenproduktion, Biertreber aus der Bierherstellung oder Obstschalen, »gefüttert« und durch Fermentation in proteinreiche Lebensmittel umgewandelt.

Mykoproteine und Fermentation

»Das Ergebnis ist eine nachhaltigere und kostengünstigere Methode zur Proteinproduktion, die gleichzeitig ein hohes Maß an Lebensmittelsicherheit bietet«, erklärt DTI-Direktorin Anne Christine Hastrup gegenüber dem Hongkonger Portal Greenqueen. Durch die Aufwertung ansonsten entsorgter Pflanzenteile wollen die Forscher zu einer Null-Abfall- und Kreislaufwirtschaft beitragen und die Kosten der Fermentation – sprich: die Preise für die Endverbraucher – senken. »Zudem benötigt der Prozess im Vergleich zur herkömmlichen Proteinproduktion nur geringe Mengen an Wasser, die Emission von Treibhausgasen ist deutlich geringer. Mykoproteine sind zudem leichter zu verdauen als pflanzliches Eiweiß sowie eine Quelle für die Vitamine B12 und D«, fährt Hastrup fort. »Sie punkten darüber hinaus mit ihrer Zellstruktur und einem neutralen Geschmacksprofil, was den Ansprüchen der VerbraucherInnen entgegenkommt.«

Noch sind weitere Forschung und Entwicklungsarbeit notwendig, um das Potenzial überschüssiger Lebensmittel für die effiziente und kostengünstige Produktion alternativer Proteine optimal zu nutzen, schreibt das Good Food Institute. Öffentliche und private Investitionen sollten dazu beitragen, das Produktionsvolumen und den Verbrauch von Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis zu steigern, heißt es in der oben verlinkten Analyse. Das Fazit der ExpertInnen ist optimistisch: »Jetzt müssen wir die Dynamik aufrechterhalten, um der alternativen Eiweißindustrie dabei zu helfen, die heutigen Abfälle in hochwertige, nahrhafte Lebensmittel zu verwandeln, um unsere wachsende Bevölkerung nachhaltig zu ernähren.«