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Superlist: Das Ranking zu Nachhaltigkeit im LEH

Erste gute Ansätze sind erkennbar, doch noch ist im deutschen Lebensmitteleinzelhandel beim Thema Nachhaltigkeit deutlich Luft nach oben. Zu diesem Ergebnis kommt die erste »Superlist Umwelt Deutschland« des Think Tanks Questionmark, der dazu mit der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, ProVeg, Madre Brava und PAN International zusammengearbeitet hat. Auf dem Prüfstand: die Strategien und Ziele der sechs großen deutschen Supermarktketten – Aldi Nord und Süd, Lidl, Kaufland, Edeka und Rewe – in Bezug auf Klimaschutz, Protein-Diversifizierung und verantwortungsvollere Landwirtschaft.

Gute Ziele reichen nicht

Die in der Superlist Umwelt berücksichtigten Einzelhändler repräsentieren zusammen mehr als 60 % des deutschen Markts. Sie spielen somit eine entscheidende Rolle auf dem Weg zu einer nachhaltigen, gesunden und tierfreundlicheren Lebensmittelversorgung und damit auch zur Klimaneutralität. Questionmark hat Ende 2024 untersucht, ob die Unternehmen konkrete Ziele haben, wissen, wie sie diese erreichen wollen und wo sie bereits tätig geworden sind. So viel sei vorweggenommen: In den Regalen oder Werbeprospekten ist bisher noch wenig zu merken. Die Unternehmen scheinen zwar ihre wichtige Rolle zu erkennen, zeigen aber in puncto konkrete Strategien, Transparenz und bei der Umsetzung ihrer Verantwortung derzeit noch zu wenig Engagement.

Darstellung der Gesamtwertung Superlist Umwelt 2025

Angeführt wird das Ranking 2025 von Lidl. Vor allem, weil der Discounter seinen Absatz von tierischen auf pflanzliche Proteine verlagern will, dieses Ziel mit konkreten Meilensteinen versieht und bereits öffentlich über seine Fortschritte berichtet.

Im Mittelfeld liegen Aldi Süd und die Vollsortimenter Rewe, Kaufland und Edeka, die beim Thema Protein-Diversifizierung allerdings bisher deutlich weniger ambitioniert sind als Lidl.

Das Schlusslicht Aldi Nord hat sich als einziges Unternehmen in der Studie bisher nicht zum Netto-Null-bis-2050-Ziel der EU bekannt und veröffentlicht auch keine Informationen zu seinen direkt mit Lebensmitteln zusammenhängenden Treibhausgasemissionen (Scope 3).

Trotz zum Teil guter Ansätze fehlen bei allen Einzelhändlern ausreichend konkrete Klimaschutzpläne mit Zwischenzielen. Das aktuelle Handeln der Supermärkte widerspricht oft ihren eigenen Zielen: So sind mehr als 90 % der in den Prospekten beworbenen Proteine tierischen Ursprungs und viele der angebotenen Fleischportionen extragroß. Zudem gibt keines der Unternehmen an, welcher Anteil seines Umsatzes durch Nachhaltigkeitszertifikate abgedeckt ist oder hat konkrete Pläne, um nachhaltige Landwirtschaftspraktiken zu unterstützen. Es bleibt also viel Luft nach oben.

Fokus: Der Proteinsplit im Umsatzmix

Ein besonders wirksamer Hebel für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem ist es, den Anteil pflanzlicher Proteine im Verhältnis zu tierischen im Umsatzmix der Einzelhändler zu steigern. Erreichen lässt sich das zum Beispiel durch gezielte Werbung, die Preisgestaltung und eine aufmerksamkeitsstarke Platzierung in den Märkten.

Ziele & Transparenz

Lidl ist bisher der einzige Supermarkt mit einem Protein-Ziel. Im Einklang mit den Empfehlungen der Planetary Health Diet will der Discounter den Anteil an pflanzlichem Eiweiß an seinem Umsatz bis 2050 auf 60 % steigern. Damit nimmt Lidl eine Vorreiterrolle ein und will das Zwischenziel von 20 % pflanzlichem Anteil bereits bis 2030 erreichen.

Lidl und Kaufland (Schwarz-Gruppe) veröffentlichen bereits Zahlen über die jeweiligen Proteinquellen. Aldi Süd berichtet über den Anteil seines gesamten pflanzlichen Angebots, das ist jedoch weniger aussagekräftig. Die Unternehmen nutzen bisher noch unterschiedliche Berechnungsmethoden, was Vergleiche erschwert: Während Lidl und Kaufland für ihr Reporting die WWF Protein Disclosure Methode nutzen, die auch Rewe bald anwenden will, verwendet Aldi Süd aktuell eine hausinterne Methode.

Edeka ist sich seiner Rolle in der Proteinwende zumindest bewusst. Ziele, Reporting oder Maßnahmen folgen daraus bisher jedoch nicht. Aldi Nord hat sich bisher nicht öffentlich zu seiner Verantwortung bekannt.

Maßnahmen: Prospekte, Portionen, Platzierung, Preis

Ob Ziele oder zumindest Fortschritte erreicht werden, hängt entscheidend damit zusammen, ob die Händler ihren KundInnen pflanzliche Produkte schmackhaft machen und dadurch den Verkauf fördern. Hier herrscht offensichtlich Nachholbedarf und keines der Unternehmen sticht besonders positiv heraus: Im Durchschnitt sind nach wie vor 92 % der in den wöchentlichen Prospekten beworbenen Proteine tierischen Ursprungs, also Fleisch, Fisch, Molkereiprodukte und Eier.

Hinzu kommt: 68 % der Schnitzel, Burger und Cordon bleus im Sortiment sind extragroße Portionen, das heißt schwerer als 150 g. Und das, obwohl die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, nicht mehr als 300 g Fleisch pro Woche zu verzehren. Rewe hat insgesamt noch den geringsten Anteil an extragroßen Portionen (52 %).

Zum Vergleich: Niederländische Supermärkte bewerben in ihren Prospekten bereits zu 19 % pflanzliche Proteine und bieten nur 47 % extragroße Portionen an.

Immerhin: Edeka, Kaufland und Lidl bieten pflanzliche Alternativen inzwischen vermehrt zum gleichen Preis wie die tierischen Äquivalente an. Lidl positioniert pflanzliche Alternativen zudem neben den Tierprodukten, um den Zugang zu erleichtern. Und es gibt weitere Initiativen der Lebensmitteleinzelhändler, um pflanzenbasierte Proteine in den Fokus der VerbraucherInnen zu rücken – der Umfang und die Umsetzung bleiben jedoch häufig unklar, kritisieren die StudienmacherInnen. So wirbt Lidl hin und wieder für sein pflanzliches Sortiment mit dem Slogan »Du hast die Wahl« und offeriert die pflanzliche Alternative zum gleichen oder zu einem niedrigeren Preis als das tierische Produkt. Rewe zeigte im Januar 2023 in einigen seiner Filialen und auf seinen Social-Media-Kanälen Klimakosten für eine Reihe von Lebensmitteln an. Die Ausweitung ihres pflanzlichen Sortiments kommunizieren die meisten Händler ebenfalls offensiv.

Darstellung der Ergebnisse zur Protein-Diversifizierung

Empfehlungen

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Lebensmittelsystem gilt: Transparenz ist der erste Schritt zur Verbesserung – und danach müssen Taten folgen. Konkrete und vergleichbare Daten zu Klimaauswirkungen, Proteinverkäufen und Nachhaltigkeitszertifikaten ermöglichen es, Optimierungspotenziale zu erkennen und Ziele zu definieren. Dazu sind folgende Maßnahmen hilfreich:

  • Klimaschutz:

    Empfohlen werden Berichte über alle Emissionen, auch indirekte aus den Lieferketten (Scope 3), und zwar unterschieden nach landwirtschaftlichen und industriebezogenen Emissionen. Ein konkreter Aktionsplan, einschließlich Zwischenzielen auch zu Scope-3-Emissionen, erleichtert das Erreichen des Netto-Null-Emissionsziels.

  • Protein-Diversifizierung:

    Die Angabe des Verhältnisses von tierischen und pflanzlichen Proteinen am Gesamtumsatz nach einheitlichen Messmethoden ermöglicht eine Vergleichbarkeit zwischen den Lebensmitteleinzelhändlern. In Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Planetary Health Diet sollten Zielwerte festgelegt und ein konkreter SMART-Aktionsplan mit klar messbaren Maßnahmen entwickelt werden, um den Übergang zu einer nachhaltigen, pflanzenbetonten Ernährung zu fördern. Viele effektive Maßnahmen werden von den Händlern noch nicht ausreichend genutzt: Besonderes Potenzial steckt in der Preisparität, besserer Produktplatzierung und einem deutlich höheren Anteil pflanzlicher Proteine in der Werbung.

»Verantwortungsbewusste Unternehmen setzen sich ehrgeizige Ziele und berichten transparent über die Fortschritte – doch das ist längst nicht bei allen sechs untersuchten Unternehmen der Fall«, bedauert Esther Erhorn, Interims-Leiterin Lebensmittel Fortschritt bei der Albert Schweitzer Stiftung. »Zu oft wird die Verantwortung noch auf die Verbraucher abgewälzt. Wir erwarten von allen Lebensmitteleinzelhändlern, dass sie sich ihrer Rolle bewusst werden und sich aktiv, konsequent und transparent für eine nachhaltige Zukunft einsetzen.«

Die Albert Schweitzer Stiftung bietet den Unternehmen ihre Unterstützung auf diesem Weg an.

Entwicklungen nach der Datenerhebung

Kaufland hat übrigens nach Abschluss der Untersuchung doch noch Daten zu seinen Scope-3-Emissionen veröffentlicht. Rewe hat mittlerweile verkündet, aktuell an einer Proteinstrategie mit konkreten Zielen zu arbeiten und sich aktiv für die Ernährungswende einsetzen zu wollen. Man darf gespannt sein.