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Umweltbundesamt: Tierschutz im LEH mangelhaft

»Wie nachhaltig sind die deutschen Supermärkte?« Dieser Frage ist das Umweltbundesamt (UBA) zum zweiten Mal nachgegangen und hat im Januar 2025 das neueste Ergebnis der gleichnamigen Studie vorgelegt. Darin bewerten das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), die Justus-Liebig-Universität Gießen sowie die Technische Hochschule Nürnberg anhand von 90 Indikatoren aus den Bereichen Umwelt, soziale Verantwortung und »Tierwohl« die acht umsatzstärksten Unternehmen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels. Zusammen stehen diese für mehr als 75 % des Marktvolumens. Wir haben uns für Sie die Ergebnisse zu den wichtigsten Tierschutzindikatoren genauer angesehen.

Kaum ernsthafte Beschäftigung mit Tierschutzthemen

Wer nicht weiß, wo die Probleme in der Massentierhaltung liegen, kann wenig dagegen tun. Indikator A3 der UBA-Studie untersucht daher, ob sich die Händler für ihre Eigenmarken systematisch mit allen tierschutzrelevanten Themen in Bezug auf Vögel, Schweine und Rinder auseinandersetzen. Zu den relevanten Themen zählen Tiergesundheit, Haltung (Platz + Auslauf/Weide), Beschäftigungsmöglichkeiten (nur Schweine/Vögel), Zucht, Eingriffe am Tier sowie Transport und Schlachtung.

Das Ergebnis: Aldi Nord und Süd, Edeka und Netto (Marken-Discount) beschäftigen sich nur ansatzweise mit den relevanten Themen und erreichen gerade einmal Score 1 von 5 (keine Angaben/methodisch ungenügende Analysen). Lidl erreicht Score 2, weil sich das Unternehmen zwar intensiv mit Tierschutzthemen in der Hühnermast auseinandersetzt, nicht jedoch für andere Tierarten. Kaufland, Rewe und Penny wurden mit Score 3 bewertet, aufgrund »nachvollziehbarer und systematischer Methoden, die verschiedene Tierarten sowie Themen berücksichtigen.« Kein Unternehmen deckt alle Tierarten beziehungsweise alle Themenbereiche ab.

Oft ambitionslose und schlecht überprüfbare Ziele

Schaut man sich die Öffentlichkeitsarbeit der Händler an, scheinen sie sich dennoch einig: Beim Tierschutz herrscht Handlungsbedarf, deshalb haben sie Ziele zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Rindern, Schweinen und Vögeln in der Lieferkette und verfolgen sie. Doch bei genauerem Hinsehen sind viele dieser Ziele wenig ambitioniert oder nach den SMART-Kriterien kaum überprüfbar.

Beim Indikator Ziele (B5) liegen Aldi Nord, Aldi Süd, Lidl und Kaufland mit Score 3 vorn. Ihre Ziele entsprechen den SMART-Kritierien, sind aber nicht sehr anspruchsvoll oder nicht öffentlich kommuniziert. Edeka (untersucht wurde hier leider nur die Regionalgesellschaft Südwest, die innerhalb des Konzerns als Vorreiter gilt), Netto, Rewe und Penny schaffen sogar nur Score 2 (die Ziele entsprechen nur teilweise den SMART-Kriterien). Angesichts der oftmals markigen Versprechen ein enttäuschendes Ergebnis.

Monitoring wenig transparent und schwer vergleichbar

Verbesserungspotenzial sieht die Studie des UBA ebenfalls beim Monitoring zu den Tierschutzzielen in den Lieferketten der Händler (Indikator C3). Hier schnitten besonders Edeka, Netto, Rewe und Penny mit einem Score 1 (keine oder nur qualitative Überwachung) schlecht ab. Lidl und Kaufland erzielten immerhin einen Score 2 (quantitative Überwachung einzelner Ziele). Aldi Nord landete dank einer quantitativen Überwachung der wichtigsten Tierschutzziele mit Score 3 im Mittelfeld. Aldi Süd betreibt als einziges Unternehmen ein »internes, systematisches Monitoring« und bekommt dafür Score 4.

Insgesamt bemängeln die AutorInnen der Studie bei diesem Indikator die Transparenz der angewandten Methodik zur Überwachung der jeweiligen Ziele. Unterschiedliche Berechnungsgrundlagen erschweren zudem die Vergleichbarkeit. Doch es gibt auch Positives: Einige der Händler führen wöchentliche interne Monitorings durch und nehmen an externen Audits teil.

Noch zu wenige Produkte mit hohen Tierschutzstandards

Recht ähnlich fällt das Ergebnis beim Indikator E3 »Anteil zertifizierter Rohstoffe mit Tierwohl-Zertifizierungen« aus. Hier wurde vor allem der Anteil an Eigenmarkenprodukten, die nach Haltungsform 3 oder 4 zertifiziert sind, bewertet. Score 1 bedeutet demnach: keine oder unzureichende Angaben. Score 5 steht für: >50 % des Eigenmarkensortiments sind nach Haltungsform 3 oder >25 % nach Haltungsform 4 zertifiziert. Die Albert Schweitzer Stiftung kritisiert in diesem Zusammenhang das Studiendesign, das mit dieser Gewichtung Bio-Tierprodukte, die in der Untersuchung in die Haltungsform 4 zählen, als deutlich besser darstellt als die Haltungsform 3.

Wieder liegt Aldi Süd mit dem höchsten Anteil an zertifizierten Produkten und Score 4 vorne, gefolgt von Lidl mit Score 3. Aldi Nord, Kaufland, Rewe und Penny erhalten Score 2. Das Schlusslicht bilden Edeka und Netto (Score 1). Fazit: Bei den meisten Unternehmen sind Produkte aus höheren Haltungsstandards immer noch Mangelware.

Maßnahmen zur VerbraucherInnen-Sensibilisierung ausbaufähig

Und wie nutzen die großen Akteure im Lebensmitteleinzelhandel ihre Position, um die VerbraucherInnen über das Thema zu informieren und dafür zu sensibilisieren (Indikator U3)? Die gute Nachricht: Keines der untersuchten Unternehmen ist hier untätig, der Score 1 (keine Maßnahmen) wurde nicht vergeben. Edeka, Netto und Penny wurden jedoch nur punktuell aktiv (Score 2), Lidl, Kaufland und Rewe schon häufiger, aber noch mit geringer Wirkung beziehungsweise Reichweite (Score 3). Spitzenreiter sind Aldi Nord mit Score 4 und Aldi Süd. Dank Kampagnen mit großer Wirkung oder Reichweite und dem Ziel, das Konsumverhalten zu ändern, erreicht Aldi Süd die volle Punktzahl (Score 5). Bei allem Lob sehen es die AutorInnen der Studie allerdings kritisch, dass sich die meisten Kampagnen auf Fleischprodukte fokussieren und nicht auch auf andere Tierschutzthemen. Zudem »fehlt es oft an einer breiten Sensibilisierung für das Thema Tierwohl über die gesetzlichen Standards hinaus«.

Fazit: Positive Ansätze, aber noch keine wirkungsvolle Transformation

Betrachtet man alle hier aufgeführten Tierschutzindikatoren, nimmt Aldi Süd unter den großen deutschen Lebensmitteleinzelhändlern eine Führungsrolle ein, während es vor allem bei Edeka und Netto noch sehr viel Nachholbedarf gibt. Der Edeka-Zentrale sollte es besonders zu denken geben, dass selbst ihr interner Primus, Edeka Südwest, so schlecht abschneidet. Wie würden dann erst die anderen Regionalgesellschaften abschneiden? Lidl, Kaufland, Aldi Nord, Rewe und Penny zeigen immerhin einige positive Ansätze. Zu beachten ist, dass für die Studie auch nicht-öffentliche Antworten der Händler für die Bewertung herangezogen wurden. Wir sprechen uns dafür aus, überwiegend öffentliche Daten zu nutzen, da sie eine höhere Transparenz und bessere Messbarkeit der Fort- oder Rückschritte gewährleisten.

Die AutorInnen der Studie resümieren: »Zwar haben sich die Datengrundlage und die Bewertungen im Vergleich zu 2020 insgesamt verbessert. Allerdings weisen die Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen und deren Umsetzung noch große Lücken auf. Dies gilt für den Bereich ›Umwelt‹, aber noch mehr für die Bereiche ›soziale Verantwortung‹ und ›Tierwohl‹.«

Im Großen und Ganzen unternehme der LEH nach wie vor nicht genug, um seiner Rolle als Gatekeeper für eine notwendige Transformation des Ernährungssystems gerecht zu werden, so das Fazit der Studie. Obwohl sich beim Tierschutz einige Unternehmen durch proaktives Engagement hervortun, sei die Branche von einer wirkungsvollen Transformation hin zu einer besseren Tierhaltung noch weit entfernt. »Hier müssen die bestehenden Anstrengungen deutlich intensiviert werden, um der gesellschaftlichen Erwartung hinsichtlich der Tierethik gerecht zu werden«, mahnen die ExpertInnen.