Virtuelle Lernwelten in der Aquakultur
Um den Tierschutz in der Aquakultur zu steigern, ist internationales Fachwissen gefragt. Eine eindrucksvolle Methode, dieses Fachwissen zu vermitteln, sind Praktikerkurse auf Fischfarmen, also direkt am Ort des Geschehens – beim Abfischen, beim Transport oder bei der Betäubung und Schlachtung.
Leider hat die Covid-19-Pandemie die Vor-Ort-Seminare lange Zeit massiv eingeschränkt. Die »Aquaculture Welfare Standards Initiative« (AWSI) machte aus dieser Not eine Tugend und ließ eine Plattform für dezentrales Lernen in virtueller Realität (VR) entwickeln.
Aquakultur virtuell erleben und lernen
Die VR-App »ITA Facing Fish Welfare« öffnet die Tür zu einem Lernraum, welcher der Realität erstaunlich nahekommt. VR-Headsets ermöglichen es den NutzerInnen, die wesentlichen Abläufe auf Aquakultur-Betrieben virtuell mitzuerleben. So können sie beispielsweise die Interaktionen der Tiere während der Fütterung beobachten, Flossenschäden anhand von Bonitier-Schemata bewerten und Maßnahmen zum »Environmental Enrichment« fachkundig aus der Perspektive des Tieres beurteilen.
Das Lernen in VR hat beachtliche Vorteile: Der virtuelle Lernraum ist unabhängig von Ort und Zeit. Die Lernschritte können außerdem auf das Vorwissen der NutzerInnen abgestimmt werden und lassen sich beliebig oft wiederholen. Darüber hinaus werden jegliche Hygiene- und Sicherheitsrisiken entschärft. Wissenschaftliche Studien belegen zudem, dass VR-Lernmodule die Lerngeschwindigkeit, die emotionale Bindung an das Gelernte und die Bereitschaft zur praktischen Anwendung im Vergleich mit Online- oder Frontal-Unterricht deutlich steigern.1
Die VR-Lernplattform ist mittlerweile so ausgereift, dass an einer Berufsschule in Hannover bereits erste Praxiseinheiten mit angehenden FischwirtInnen durchgeführt wurden. Ein Team aus WissenschaftlerInnen erarbeitet laufend neue Trainingsinhalte, die auf Deutsch und Englisch verfügbar sind.
Das Potenzial der VR-App ist jedoch noch lange nicht ausgeschöpft: Einzelne Mitgliedsunternehmen der AWSI öffnen bereits ihre Betriebsabläufe für das Erstellen neuer VR-Inhalte. Sie profitieren davon, dass die einmal programmierten VR-Module nicht nur den Tierschutz verbessern: auch für HACCP-Schulungen, betriebsinternes Onboarding oder Audit-Vorbereitungen ist die Lernplattform viel effektiver als herkömmliche Lernmethoden. Eine eigens dafür gegründete GmbH bietet entsprechende Anpassungen der AWSI-Trainingsinhalte für individuelle Bedürfnisse im Baukastensystem an.
Den Tierschutz wirksam zu verbessern ist eben nicht nur besser für die Tiere in Aquakultur – das neuartige VR-Lernsystem der AWSI macht daraus einen Vorteil für alle Mitglieder der Brancheninitiative.
Die AWSI wird durch Projektmittel der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt finanziert und nimmt auf Anfrage neue Mitglieder auf.
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Eckert, D., Mower, A. The effectiveness of virtual reality soft skills training in the enterprise: a study. 2020; http://hdl.voced.edu.au/10707/546376. ↩