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Der Eco-Score bei Lidl

Lidl testet derzeit in seinen Berliner Filialen den »Eco-Score«. Diese Produktkennzeichnung zeigt den KundInnen direkt am Preisschild, wie nachhaltig ein Lebensmittel ist: die Bewertungsskala reicht von einem (guten) grünen A bis zu einem (schlechten) roten E. Wir haben uns den Eco-Score genauer angeschaut.

Wie wird der Eco-Score berechnet?

Die Berechnungsmethode wurde von französischen Unternehmen entwickelt und besteht aus zwei Komponenten: Zunächst werden 16 Umweltwirkungen eines Produkts basierend auf dem von der EU-Kommission entwickelten »Product Environmental Footprint« (PEF) bewertet. Zu den abgedeckten Umweltwirkungen gehören unter anderem:

  • Klimawandel
  • Ozonabbau
  • Feinstaub
  • die Giftigkeit für den Menschen
  • Landnutzung
  • Wassernutzung
  • Verwendung fossiler Brennstoffe

Betrachtet werden diese Umweltwirkungen über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg. Somit werden Rohstoffe, Landwirtschaft, Verarbeitung, Transport, Verkauf, Nutzung und Recycling in den Blick genommen. Anhand dieser Analyse kann ein Produkt bis zu 100 Punkte erhalten.

Die zweite Komponente des Eco-Scores sind zusätzliche Nachhaltigkeitskriterien, mit denen die Produkte Plus- und Minuspunkte sammeln können. Bis zu 20 Punkte erhält ein Produkt beispielsweise, wenn es ein Nachhaltigkeitslabel vorweisen kann. Auch die Herkunft des Produkts bzw. die Inhaltsstoffe, die Umweltpraktiken in den produzierenden Ländern, eine nachhaltige Verpackung und ein negativer Einfluss auf die Biodiversität werden bei den zusätzlichen Kriterien berücksichtigt.

Unser Eindruck

Für seinen Test in Berlin hat Lidl bislang Tee-, Kaffee- und Molkereiartikel seiner Eigenmarken mit dem Score versehen. Was beim Gang durch die Regale direkt auffällt: Die meisten Milchprodukte haben eine gute Bewertung (Bio-Joghurt erhält ein B, griechischer Joghurt sogar ein A; Cs sieht man selten). Vegane Alternativprodukte werden durchgehend mit A bewertet.

Unklare Bewertungen

Dass der konventionelle Joghurt besser abschneidet als der Bio-Joghurt, wirft Fragen auf. Laut Lidl könne das an der Verpackung liegen. Und warum schneiden Bio-Produkte generell schlechter ab, als man erwarten würde? Vermutlich reichen die Pluspunkte, die für das Bio-Label vergeben werden, allein nicht aus, um eine Stufe gutzumachen.

Für uns völlig unverständlich ist, dass es keinen sichtbaren Unterschied in der Bewertung von vielen tierischen Produkten und den pflanzlichen Alternativen gibt. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass bei den Nachhaltigkeitsparametern, die in den Eco-Score einfließen, der Tierschutz fehlt. Das gilt auch für indirekte Aspekte wie die Gefahr durch den Einsatz von Antibiotika und Pflanzenschutzmitteln.

Intransparente Gewichtung

Leider wird aus den von Lidl veröffentlichten Informationen nicht klar, wie die einzelnen Umweltwirkungen genau gewichtet werden. Bei Tierprodukten sind naturgemäß einige Kriterien besonders dominant – insbesondere die Umweltwirkungen in den Bereichen »Rohstoffe« und »Landwirtschaft«. Allein bei diesen Kriterien haben tierische Produkte häufig schon eine schlechtere Treibhausgas-Bilanz als andere Produkte über ihre gesamte Produktionskette hinweg.

Wenn nun aber nicht die einzelnen Kriterien aufsummiert, sondern alle separat mit Punkten bewertet und am Ende gleich gewichtet werden, kann ein Produkt in der Bewertung aufholen, obwohl die Bilanz eigentlich schon durch die Kategorien »Landwirtschaft« und »Rohstoffe« uneinholbar schlecht wäre. In diesem Punkt sollte Lidl also transparent darstellen, wie der Score berechnet wird und gegebenenfalls nachbessern.

Anpassungen nötig

Wenn Tierprodukte und pflanzliche Alternativen die gleiche Bewertung erhalten, funktioniert die dringend benötigte und erhoffte Lenkung des KundInnen-Verhaltens nicht: es entsteht kein Anreiz, zu den Alternativen zu greifen.

Um Verzerrungen zu vermeiden, könnte es sinnvoll sein, bei der Berechnung zusätzliche Mechanismen einzusetzen. Zum Beispiel könnte man festlegen, dass ein Produkt, dass bei einem Umweltkriterium einen gewissen Schwellenwert überschreitet, insgesamt kein besseres Ergebnis als »E« erreichen kann. Konkret: Wenn man für 1 kg eines Produkts einen Hektar Regenwald benötigt, das Produkt in anderen Kategorien aber sehr gut abschneidet, muss es am Ende als Gesamtergebnis trotzdem ein »E« erhalten. Insbesondere Tierprodukte tendieren dazu, in einigen Teilbereichen sehr schlecht abzuschneiden. Eine biologisch abbaubare Verpackung oder wenig Energieaufwand bei der Zubereitung darf nicht zu einer Beschönigung des Gesamtergebnisses führen – sonst muss sich Lidl den Vorwurf des Greenwashings gefallen lassen.

Grafik Vergleich Pflanzenmilch
Die Umweltwirkungen von Kuhmilch und veganer Milch unterscheiden sich deutlich. Mehr dazu in unserem Artikel.

Weitere Kritikpunkte

In Frankreich, dem Herkunftsland des Eco-Scores, wurden ebenfalls Bedenken über das Label geäußert. Unter anderem wurde kritisiert, dass Antibiotika, Pflanzenschutzmittel sowie Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit nicht berücksichtigt werden. Und auch im Bundesverband der Verbraucherzentralen in Deutschland ist man nicht überzeugt: »Das System hat leider noch Schwächen. […] So kann das nicht bleiben«, sagt Lebensmittelexpertin Anne Markwardt im Tagesspiegel. Sie kritisiert unter anderem auch den schwer durchschaubaren Algorithmus hinter der Bewertung.

Fazit

Keine Frage: Eine Kennzeichnung, mit deren Hilfe VerbraucherInnen erkennen können, wie nachhaltig ein Produkt ist, ist dringend nötig. Wir begrüßen es daher, dass Lidl hier einen Aufschlag macht. Allerdings hat der Eco-Score in seiner jetzigen Form noch deutliche Schwächen: Die Bewertungen sind intransparent und scheinen verzerrt zu sein, sodass einige Produkte zu gut abschneiden.