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Industrielle Fischerei: Probleme und Lösungen

Den Ozeanen droht der Kollaps. Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung und allen voran die Fischereiindustrie sind die Gründe dafür, dass in den Meeren immer weniger Leben zu finden ist. Wissenschaftler warnen, dass bereits bis Mitte des Jahrhunderts die Fischbestände vollkommen erschöpft sein werden.


Für Unternehmen bietet sich hier eine wichtige Chance: Um das eigene Nachhaltigkeitsprofil zu schärfen, lohnt ein Blick auf pflanzliche Alternativen zu Fischprodukten – denn diese derzeit noch stark unterrepräsentierte Produktkategorie birgt viel Potenzial.

Das Problem: Die industrielle Fischerei

Rückwurfverbot und Fangquoten

Um die gewaltige Nachfrage nach Fisch und anderen Meerestieren zu decken, wurden 2016 laut einer Studie der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations) über 90 Millionen Tonnen Lebewesen aus den weltweiten Gewässern gezogen – das sind zwischen 970 und 2.700 Milliarden Individuen. Hinzu kommt der Beifang, der schätzungsweise ein Drittel der gesamten Fangmenge ausmacht. Da Fischer nur eine bestimmte »Menge« Fisch aus dem Meer ziehen dürfen und der Beifang nur schwer zu vermarkten ist, werfen sie den toten oder schwerverletzten Beifang oft zurück ins Meer – das Fangquotensystem ist also mitverantwortlich für den Rückwurf. In der Hoffnung, dass Fischereien durch ein Rückwurfverbot dazu animiert werden, den unerwünschten Fisch zu verwerten oder auf selektive Fangmethoden zurückzugreifen, wurde 2015 ein entsprechendes EU-Gesetz erlassen. Da Kontrollen jedoch nur schwer durchzuführen sind, zeigt das Verbot kaum Wirkung.


Hinzu kommt, dass die von der EU verhängten Fangquoten sich nicht an den wissenschaftlichen Empfehlungen orientieren. Dabei sprechen die Zahlen für sich: Über 33 % der kommerziell genutzten Fischbestände waren laut FAO im Jahr 2015 überfischt und 60 % an ihrer Belastungsgrenze, lediglich 7 % galten als moderat befischt. Der Bestand großer Raubfische wie Thunfisch, Schwertfisch oder Kabeljau wurde innerhalb von 50 Jahren um 90 % reduziert. Darüber hinaus leiden durch die nicht selektiven Fangmethoden auch die Bestände jener Meeresbewohner, die in den meisten Ländern nicht kommerziell verwertet werden dürfen – etwa Wale, Delfine, Haie oder Schildkröten. Durch die anhaltende Überfischung stehen immer mehr Tiere auf der roten Liste der gefährdeten Arten des IUCN.

Fangmethoden

Die Beifangmenge ist abhängig von der Fangmethode. Besonders dramatisch ist die Rate dort, wo sich auf Tiere konzentriert wird, die am Boden leben. Dazu gehören Schollen, Seezungen oder auch Krebstiere. Grundschleppnetze verursachen durchschnittlich 80 % Beifang – bei der Shrimpfischerei sind es sogar bis zu 95 %. Die Grundschleppnetze zerstören zudem ganze Ökosysteme, indem sie Korallenriffe vernichten und Bodenlebewesen zerdrücken.


Aber auch andere Fangmethoden werden zur Gefahr für zahlreiche Lebewesen, die kein Fangziel darstellen. So wird beispielsweise in der Ostsee der Schweinswal durch Treib- und Stellnetze bedroht. In dänischen Gewässern sterben jährlich rund 5.000 Schweinswale in den Netzen, dabei gilt die Walart ohnehin als gefährdet. Und auch in der Nordsee ist Beifang ein großes Problem – nach Schätzungen der EU beträgt die Beifangmenge hier ganze 40 bis 60 %.

Humanitäre Auswirkungen

Die EU kann die stetig steigende Nachfrage nach Meerestieren durch die Befischung der europäischen Gewässer nicht mehr decken: Der Nordatlantik und das Mittelmeer wurden durch Schleppnetze nahezu leergefischt. Der Bedarf wird gedeckt, indem man vermehrt in westafrikanischen oder pazifischen Gewässern fischt – mit dramatischen Folgen für die ansässigen Küstenbewohner. Denn nicht nur die Tier- und Umwelt leidet unter dem Verzehr von Fisch und anderen Meeresbewohnern: Während in unseren Breitengraden niemand Fisch essen muss, um seinen Eiweißbedarf zu decken, sind Menschen in einigen Küstenregionen Afrikas oder Asiens auf den lokalen Fischfang angewiesen. Die erbrachten Kompensationszahlungen gelangen dabei nur selten an die lokalen Fischer, die ihre Einnahmequelle verloren haben.

Ein Lösungsansatz: Pflanzliche Fischalternativen

Nachhaltigkeit und Tierschutz sind Gründe, aus denen Menschen sich immer häufiger für den Kauf von Fleisch- und Milchalternativen entscheiden. Genau diese Argumente sind es auch, die für Fischalternativen sprechen. Für Florian Bark, Produktmanager bei Hydrosol, ist 2020 das Jahr der Fischalternativen: »Fleischalternativen sind schon im Mainstream angekommen. Die nächste Nische, die bedient werden muss, ist selbstverständlich pflanzlicher Fisch.« Sobald diese Produkte im europäischen Einzelhandel und in Schnellrestaurants auf den Markt kommen, werde es ein stetiges Wachstum geben, so Bark. Aber: »Die Produkte müssen schmackhaft sein und die Textur muss dem Original nahekommen.«


Genau daran arbeiten mehrere Unternehmen bereits. Hydrosol selbst hat beispielsweise ein Vollcompound im Angebot, mit dem sich auf Basis von Reistexturat vegane Alternativen zu Fischstäbchen und Fischfilet herstellen lassen. Neu ist auch ein alternatives Thunfischprodukt des Unternehmens.


Einen anderen Weg geht eine Gruppe junger Studenten mit ihrem Start-Up Legendary Vish. Sie haben eine Methode entwickelt, um pflanzliche Fischalternativen mithilfe von 3D-Druckern herzustellen. Lachsfilets – etwa für Sushi oder Sashimi – sind das erste Produkt des Unternehmens. Thunfisch oder Hering sind bereits in Planung. Weitere Start-Ups, die mit vielversprechenden Fischalternativen den Markt aufrollen wollen, sind Kuleana (Thunfisch), Hooked (Lachs) und Good Catch (Thunfisch). Auch die Arbeit an Fisch aus Zellkulturen läuft auf Hochtouren, etwa bei den Unternehmen BlueNalu, Finless Foods und Wild Type.


Innovationen wie diese sind dringend nötig, wenn wir die vielen Probleme, vor die uns die Fischerei stellt, lösen wollen. Doch sie müssen auch den Verbraucher erreichen – dabei ist der Handel gefragt.

Fazit

Wenn wir den Kollaps der Weltmeere noch verhindern wollen, müssen wir dringend handeln – zum Beispiel, indem wir pflanzliche Alternativen zu Fischprodukten fördern. Nachdem Fleischalternativen in den letzten Jahren gewaltige Sprünge gemacht haben, was Geschmack und Konsistenz angeht, erwarten wir in den nächsten Jahren ähnliche Fortschritte bei den Fischalternativen.


Übrigens: Die Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit Tierschutzstandards für Fische. Ein Schwerpunkt dabei ist die Aquakultur. Beifang und Schleppnetze spielen dort keine Rolle, aber dafür zahlreiche tierschutzrelevante Fragen – die Betäubung der Fische vor der Schlachtung etwa, oder die Wasserqualität und der Transport. Im von uns ins Leben gerufenen Initiativkreis Tierschutzstandards Aquakultur tauscht sich fast der gesamte LEH zu diesen Problemfeldern und Lösungen aus.