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Interview: Die Masthuhn-Initiative in der Praxis

Norsk Kylling ist ein norwegischer Hühnerfleischproduzent, der mehrere Nachhaltigkeitskonzepte verfolgt und u. a. seine Standards komplett auf das Niveau der Europäischen Masthuhn-Initiative anhebt. Über die Erfahrungen, Zwischenschritte, Hürden und positiven Überraschungen auf diesem Weg haben wir mit Hilde Talseth, COO des Unternehmens, gesprochen.


Hilde, können Sie uns ein wenig über Norsk Kylling erzählen?


Norsk Kylling deckt die gesamte Wertschöpfungskette für Hähnchenprodukte ab. Unser Sitz ist in Mittelnorwegen. Wir sind der erste – und bisher einzige – industrielle Produzent in Norwegen, der Hühnerfleisch nach den Vorgaben der Europäischen Masthuhn-Initiative liefert.


Unsere Tiere leben länger und gesünder als vergleichbare Masthühner. Unsere Strategie ist es, einen neuen Standard zu setzen – für eine verantwortungsvolle, effiziente und innovative Produktion in einer umweltfreundlichen Wertschöpfungskette. Damit wollen wir unseren VerbraucherInnen Produkte von höchster Qualität zum niedrigsten Preis auf dem Markt garantieren.


Norsk Kylling hat sich verpflichtet, gesunde, nachhaltige Lebensmittel auf verantwortungsvolle Weise zu produzieren. Wir möchten einen neuen Standard für unsere Branche setzen: Wir möchten klima-positiv werden und einen neutralen ökologischen Fußabdruck erreichen, indem wir Soja aus allen Produktionsvorgängen entfernen und auf Kreislaufwirtschaft setzen.


Was ist Ihre Rolle im Unternehmen und was sind Ihre Hauptaufgaben?


Ich bin COO bei Norsk Kylling und CEO unserer Brüterei Hugaas Rugeri. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass jeden Tag gesunde Hühner von guter Qualität pünktlich und in der richtigen Menge an unseren Verarbeitungsbetrieb geliefert werden. Außerdem leite ich einige unserer größten Entwicklungsprojekte. Ich stelle sicher, dass wir unsere Produktion ständig verbessern, damit wir bis 2030 nachhaltig und klimapositiv sind.


Norsk Kylling hat beschlossen, der Europäischen Masthuhn-Initiative (MHI) beizutreten. Wie sind Sie zu dieser Entscheidung gekommen, welche Fortschritte haben Sie bisher erzielt und wie sieht Ihr Zeitplan aus?


Unser Ziel ist immer, den besten Tierschutz für die Hühner in unserer Wertschöpfungskette zu gewährleisten. Wir sind stets auf der Suche nach Innovation und Fortschritt, um den besten Standard zu garantieren.


Im Jahr 2015 haben wir die Besatzdichte von 36 kg/m2 auf 34 kg/m2 reduziert. 2016 haben wir dann in unserer alten Verarbeitungsanlage eine kontrollierte atmosphärische Betäubung mit Mehrphasensystemen installiert. Auf Grundlage unserer Erfahrungen mit diesem System haben wir für unsere neue Verarbeitungsanlage (Inbetriebnahme Juli 2021) hochmoderne Technologie für die atmosphärische Betäubung gekauft und installiert. Im Laufe des Jahres 2018 führten wir unsere neue Rasse Hubbard JA787 ein, zusammen mit Beschäftigungsmöglichkeiten für all unsere Hühner in der gesamten Wertschöpfungskette.


Mit diesen großen Veränderungen haben wir sofort klare Verbesserungen beobachtet – und die guten Ergebnisse haben uns ermutigt, unsere Tierschutzstandards noch weiter zu entwickeln. So sind wir auf die Europäische Masthuhn-Initiative gestoßen und fanden, dass sie ein gutes Instrument zur Erreichung unserer Ziele ist.


Derzeit bauen wir neue Ställe, um den MHI-Standard für die Besatzdichte zu erfüllen und gleichzeitig die Lieferung von Hühnerfleisch an unsere Kunden sicherzustellen. Außerdem richten wir die von der Masthuhn-Initiative geforderten Lichtverhältnisse in allen unseren Betrieben ein. Diese Umstellungen werden Anfang 2022 abgeschlossen sein.


Was sind die größten Hürden, mit denen Sie bisher bei der Umstellung auf die Standards der Masthuhn-Initiative konfrontiert wurden? Was war einfacher als erwartet?


Aufgrund der außergewöhnlichen Pandemie-Situation hatte die Sicherstellung einer ausreichenden Lebensmittelversorgung auf dem norwegischen Lebensmittelmarkt oberste Priorität. Daher mussten wir die Verringerung der Besatzdichte für einen kurzen Zeitraum verschieben. Dies ändert jedoch nichts an unserer Entscheidung, dass Norsk Kylling in seinen Hühnerställen eine maximale Besatzdichte von 30 kg/m2 oder weniger haben sollte. Diese Anforderung werden wir im Jahr 2022 erfüllen.


Unser Ziel ist es, auf allen Ebenen verantwortungsvoll zu arbeiten, um das Wohlergehen der Tiere zu gewährleisten – das ist sowohl für uns als Unternehmen als auch für unsere MitarbeiterInnen und LandwirtInnen wichtig.


Welche Rasse(n) verwenden Sie und was können Sie über deren Leistung sagen?


Wir verwenden ausschließlich die Rasse Hubbard JA787. Diese Umstellung haben wir 2018 abgeschlossen. Der Grund dafür ist einfach: Diese Rasse lebt länger und wächst langsamer. Die bisherigen Ergebnisse sind verblüffend: Hubbard wächst 15 % langsamer, lebt 41 % länger, hat eine 39 % geringere Sterblichkeit und eine 75 % geringere Sterblichkeit beim Transport. Darüber hinaus berichten unsere LandwirtInnen von lebhafteren Hühnern, die insgesamt ein aktiveres Leben führen. Außerdem benötigen wir jetzt 3 Millionen Hühner weniger, um die gleiche Menge Fleisch zu produzieren wie mit Ross 308.


Wir haben von einigen Bedenken bezüglich der Umstellung von 20 auf 50 Lux gehört. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Erfüllung dieses Kriteriums gemacht? Was sind die Vorteile? Gibt es Probleme?


In Norwegen gilt die Mindestanforderung, dass in mindestens 80 % des Stalls 20 Lux herrschen müssen. Bei Hubbard haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir die Helligkeit weit über die Mindestanforderungen hinaus steigern können und dass mehr Licht sich tatsächlich positiv auf das Verhalten und das Wachstum auswirkt. Wir führen jetzt in allen Hühnerbetrieben ein neues Beleuchtungssystem ein. Dieses Lichtsystem bietet eine bessere Farbzusammensetzung (Tageslichtspektrum) sowie UVA-Licht. Mit dem richtigen Farbspektrum kann die Helligkeit höher eingestellt werden. Wir können jetzt eine maximale Helligkeit von 100 Lux in 80 % des Stalls erreichen.


Für uns ist es wichtig, ein Beleuchtungssystem zu haben, das den Hühnern optimale Lichtbedingungen in Bezug auf Spektrum und Stärke bietet. Wir haben uns für eine hohe Maximalhelligkeit entschieden, damit wir die Anlage nicht auf voller Stärke laufen lassen müssen.


Wir haben sehr unterschiedliche Schätzungen zu den Preiserhöhungen für die Erzeuger gehört, die mit der Umstellung von konventioneller Masthuhnproduktion auf die Masthuhn-Initiative einhergehen. Die Spanne reicht von 14,6 Cent mehr pro Kilogramm am unteren Ende über 19,5 Cent in der Mitte bis zu über 30 Cent am oberen Ende. Können Sie uns dazu etwas sagen?


Unsere Erfahrung beweist genau das Gegenteil. Unsere LandwirtInnen haben mit Hubbard [JA787] einen höheren Gewinn erzielt. Das liegt vor allem daran, dass die niedrigere Sterblichkeitsrate und die deutlich geringeren Krankheits- und Verletzungsraten die Gewinne verbessern. Außerdem erzielen wir mit unserer langsamer wachsenden Rasse bessere Erträge und können unser Fleisch daher zum gleichen Preis oder sogar günstiger als das Fleisch von Ross-Hühnern auf dem norwegischen Markt anbieten.


Vielen Dank für das Interview!