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Weltklimarat: Systemwechsel jetzt!

In seinem sechsten Bericht gibt der Weltklimarat (IPCC) erneut umfassend Auskunft über Ausmaß und Folgen der Klimaerhitzung sowie über Möglichkeiten diese einzudämmen. Der Tenor lautet deutlicher denn je: Die Menschheit muss jetzt schnell und beherzt handeln, um das Schlimmste zu verhindern. Wir haben uns angesehen, was der IPCC vor diesem Hintergrund zu den Themen Landwirtschaft und Ernährung schreibt.

Wie ist die Lage?

Der IPCC stellt fest: Der menschliche Beitrag zur Klimaerhitzung ist eindeutig und unbestreitbar. Er hat dazu geführt, dass die globale Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahrzehnt (2011–2020) bereits um 1,1 °C höher lag als in vorindustrieller Zeit (1850–1900). Weitreichende, zum Teil unumkehrbare, Veränderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen, der Kryosphäre (Schnee und Eis) und der Biosphäre der Erde sind bereits eingetreten. Die Folgen, insbesondere Hitzeextreme, aber z. B. auch Überschwemmungen wie 2021 im Ahrtal in Deutschland, betreffen alle Regionen der Erde. Dennoch nehmen die Treibhausgasemissionen weiter zu.

Die Landwirtschaft ist dabei nicht nur Verursacherin der Klimaerhitzung, sondern auch Opfer. Vor allem Trockenheiten und ausbleibende Niederschläge erschweren den Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln. Die Klimaveränderungen vertragen jedoch auch viele Nutztiere nicht gut. Erhöhter Ressourcenverbrauch, besonders von Wasser, ist die Folge. Gleichzeitig sinken die Erträge. Um die knapper werdenden Ressourcen konkurrieren zudem auch Fischerei- und Aquakultur-Industrie. All das wird die Produktion von Nahrungsmitteln zukünftig sehr erschweren.

Um die im Pariser Klimaabkommen zwischen fast allen Ländern der Welt vereinbarte 1,5-Grad-Marke nicht zu knacken, braucht es »rasche und tiefgreifende und in den meisten Fällen sofortige Senkungen der Treibhausgasemissionen in allen Sektoren«, so der IPCC. Die globalen Treibhausgasemissionen müssen bis 2030 halbiert und bis 2050 auf Netto-Null gebracht werden. Das Zeitfenster für wirksame Maßnahmen schließt sich.

Infografik Emissionen

Was bedeutet das für den Lebensmittelsektor?

Der IPCC sieht großes Potenzial im Bereich Landwirtschaft, Forstwirtschaft und sonstige Landnutzung (agriculture, forestry and other land use, kurz AFOLU), um die Klimaerhitzung zu mindern. Der Bereich machte im Jahr 2019 allein 22 % der menschengemachten Treibhausgasemissionen aus. Das waren rund 13 Gigatonnen CO2-Äquivalente.

Emissionen könnten in diesem Bereich zum einen durch die Erhaltung, verbesserte Bewirtschaftung und Wiederherstellung von Wäldern und anderen Ökosystemen reduziert werden. Zum anderen durch eine nachhaltigere Landwirtschaft, eine pflanzlichere Ernährung und die Verringerung von Lebensmittelverlusten und -abfällen. Zusätzlich ließen sich in dem Bereich große Mengen CO2 aus der Atmosphäre entfernen und auf natürliche Weise in Böden speichern sowie Synergieeffekte nutzen, z. B. zur Erhaltung der biologischen Vielfalt, betont der IPCC.

Als Beispiel für eine nachhaltige, klimafreundliche Ernährungsform nennt der IPCC die Planetary Health Diet. Diese beinhaltet nur noch geringe Mengen tierischer Produkte. Bis 2050 könnte sie eine Reduktion von 29 bis 70 % der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen bewirken. Insbesondere die Reduktion des Fleischkonsums sieht der IPCC als einen der wirksamsten Faktoren.

Wie ein Ernährungswandel gelingen kann

In Kapitel 5 des dritten Teilberichts widmet sich der IPCC u. a. den sozialen und Konsum-Aspekten bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen. Unternehmen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Zum einen durch eigenes Verhalten, z. B. die Umstellung auf klimaneutrale Produktion und entsprechende Investitionen in neue Techniken, zum anderen durch ihren Einfluss auf VerbraucherInnen.

Da insbesondere Entscheidungen beim Thema Ernährung oft unbewusst getroffen werden, muss beim Ernährungswechsel durch sogenanntes Nudging nachgeholfen werden, so der IPCC. So können pflanzliche Produkte z. B. über den Preis und die Positionierung im Supermarktregal oder auf der Speisekarte den Menschen nähergebracht werden. Auch Subventionen für pflanzliche Lebensmittel können helfen. Lediglich über die negativen Folgen von Tierprodukten zu informieren, reiche nicht aus.

Kultiviertes Fleisch (»Clean Meat«) hebt der IPCC als eine weitere mögliche ressourcenschonende Proteinquelle der Zukunft hervor. Für deren Produktion sind weniger Flächen und Wasser notwendig.

Infografik Planetary Health Diet

Ein Appell an die Menschheit

Auch wenn die sichtbaren Fortschritte im Klimaschutz und das Engagement der jüngeren Generationen (Stichwort »Fridays for Future«) die AutorInnen des Berichts optimistisch stimmen, machen sie klar, dass bisher viel zu wenig passiert. Die durch Menschen verursachten Treibhausgasemissionen sind seit 2010 in allen wichtigen Sektoren weltweit gestiegen – wenn auch in geringerem Maße als im Jahrzehnt davor. Schon die Versprechungen der Regierungen sind zu unambitioniert. Die Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen müssten drei- bis sechsmal höher sein. UN-Generalsekretär Antonio Guterres dazu: »Dieser Verzicht auf politisches Handeln ist kriminell.«

Als Maßnahmen gegen die Klimaerhitzung nennt der IPCC daher im Grunde nichts Neues: neben dem Schutz der Ökosysteme und der Reduktion des Fleischkonsums z. B. klimaneutrale Energiequellen und Gebäude, emissionsfreie Fortbewegung, Energieverbrauch und Ressourcenverschwendung reduzieren, allgemein nachhaltiger wirtschaften – aber diese Ziele müssten möglichst sofort erreicht und nicht nur halbherzig verfolgt werden. Auch im Bereich AFOLU ist die Diskrepanz zwischen notwendigen und tatsächlichen Investitionen riesig.

Wenn es so weitergeht wie bisher, werden die 1,5 °C überschritten und auch die Begrenzung auf 2 °C wird zunehmend schwerer. Anpassungen und Schadensregulierung werden dann teuer für die Menschheit. Investitionen in eine klimaneutrale Zukunft sind zwar auch teuer, aber sie werden sich auf lange Sicht mehrfach auszahlen, weil sie im besten Fall auch Vorteile für Umwelt und Artenvielfalt bedeuten oder eine gesündere Ernährung fördern. Wir möchten ergänzen: Auch die Tiere würden profitieren.

Als Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen – nicht nur im eigenen Land, sondern durch den globalen Handel weltweit – haben reiche und einflussreiche Länder wie Deutschland eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz.