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Geflügelmast: Hintergrund

Die Haltung von Masthühnern und Mastputen ist heute mit einer Vielzahl tierschutzrelevanter Probleme verbunden. Diese rücken in letzter Zeit bei einigen Unternehmen verstärkt in den Mittelpunkt. Wir fassen die Problematik zusammen und zeigen aktuelle Lösungsansätze und Entwicklungen auf.

Probleme in der Geflügelmast

In der Geflügelmast werden heute vor allem Zuchtlinien genutzt, die einseitig auf die schnelle Ausbildung von Masse und eines überdimensionalen Brustfleisch-Anteils gezüchtet wurden: Während ein Masthuhn im Jahr 1925 noch 120 Tage benötigte, um ein Gewicht von 1.500 g zu erreichen, waren es 2005 nur noch 30 Tage. Dieses enorme Ansteigen der Wachstumsraten bringt zahlreiche gesundheitliche Belastungen für die Tiere mit sich. So leiden sie z. B. häufig unter Beinschwächen, Stoffwechselstörungen, Gelenkschäden und den damit verbundenen Schmerzen. Die Bewegungsaktivität der Tiere nimmt dementsprechend stark ab; in Masthühnerherden hat man bis zu 30 % der Tiere mit deutlichen Einschränkungen ihrer Lauffähigkeit vorgefunden. Dass diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich in einem direkten Zusammenhang mit dem schnellen Wachstum stehen, zeigen Untersuchungen – und auch, dass sich ein langsameres Wachstum günstig auf die Gesundheit der Tiere auswirkt.

Entwicklungen im LEH

Um die Etablierung von robusteren Hybridlinien und besseren Haltungsbedingungen voranzutreiben, ist auch der Lebensmittelhandel gefragt. Erfreulicherweise gibt es immer mehr entsprechende Initiativen im In- und Ausland. So haben beispielsweise in den Niederlanden die drei größten Supermarktketten im Dezember 2015 angekündigt, auf schnellwachsende Hühnerzuchten zu verzichten. Durch diese wegweisende Entscheidung wird mit einem Schlag die Zahl der entsprechenden Produkte in den niederländischen Supermärkten halbiert.


Auch in Deutschland wächst das Bewusstsein der Händler: Im November 2015 gab Lidl in seinem Tierschutz-Positionspapier bekannt, dass der Discounter die Hälfte seines Eigenmarken-Sortiments an Putenfleisch von der Schwermast auf eine mittelschwere Zucht umstellen wird. Zudem wurde das Ziel formuliert, alle Ställe mit überdachten Auslaufzonen zu versehen. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass bisher kein anderes Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels in seinen Richtlinien verbindliche Positionen zu Puten formuliert hat. Darüber hinaus führt Lidl Produkte mit dem zweistufigen Tierschutzlabel »Für Mehr Tierschutz« des Deutschen Tierschutzbundes. In Bayern wird der Discounter ab diesem Monat sein Sortiment mit Produkten der Einstiegsstufe Masthuhn erweitern und dafür konventionelle Ware auslisten. Das Label sieht vor, dass die Hühner u. a. mehr Platz, mehr Beschäftigungsmaterial und mehr Zeit zum Heranwachsen haben als Hühner in konventioneller Haltung.

Weitere internationale Entwicklungen

In den vergangenen Monaten erreichten uns auch positive Nachrichten aus den USA: So hat etwa das Bündnis Global Animal Partnership, dem u. a. Whole Foods angehört, im März angekündigt, seine Kriterien dahingehend zu verschärfen, dass bis 2024 sämtliche schnellwachsenden Hühnerzuchtlinien mit langsamer wachsenden Tieren ersetzt werden müssen. Außerdem sollen die Haltungsstandards verbessert werden, sodass den Tieren natürliches Licht, Beschäftigungsmaterialien und 25 % mehr Platz als konventionell gehaltenen Geflügeltieren zur Verfügung stehen.


Ebenfalls in den USA hat Perdue, der viertgrößte Geflügelproduzent des Landes, neue Standards für die Haltung und Schlachtung seiner Tiere eingeführt. Vor zwei Jahren hat Perdue bereits als erstes US-Unternehmen den Gebrauch von Antibiotika in der Geflügelhaltung stark reduziert – jetzt wurde zudem eine neue Transparenz-Initiative und eine »Tierschutzkultur« angekündigt. Dazu gehört etwa, dass die Masthähnchen Zugang zu natürlichem Licht und Außenbereichen sowie Beschäftigungsmaterialien erhalten werden. Allein schon, weil Perdue sich in einem hart umkämpften Wettbewerbsumfeld befindet und auch in der Vergangenheit deutlich vollmundiger über Tierwohl gesprochen hat, als man das in den Ställen vorfinden konnte, ist hierbei von keinem großen Wurf auszugehen, aber immerhin kommt Bewegung in das Thema.


Bei der diesjährigen Verleihung der Preise für Artgerechte Tierhaltung, welche von der internationalen Tierschutzorganisation Compassion in World Farming vergeben werden, ging die Auszeichnung für die »beste Innovation« an die Plukon Food Group. Deren Windstreek-Stall ist ein neuartiges Konzept für die Hühnermast und umfasst gleich mehrere tierschutzbezogene Verbesserungen für die Tiere: Die Besatzdichte ist geringer als gewöhnlich und es werden langsamer wachsende Hybridlinien verwendet, verschiedene Arten von Beschäftigungsmaterial bereitgestellt sowie der Zugang zu natürlichem Sonnenlicht gewährleistet.

Robustere Hybridlinien als Lösungsansatz

Um die zuchtbedingten Probleme bei der Geflügelmast zu lösen, gibt es Ansätze, neue, robustere Linien zu züchten. Diese Ansätze sind allerdings bisher eher als Nischenlösungen zu bezeichnen.


Ein Beispiel für solch ein Zuchtvorhaben stellt die Ökologische Tierzucht gGmbH vor, die von den Bio-Verbänden Demeter und Bioland gegründet worden ist. Die gGmbH arbeitet an der Zucht eines Zweinutzungshuhns, das sich für den Einsatz in der ökologischen Eier- und Fleischproduktion eignet. Diese Tiere sind auf die Öko-Fütterung und die ökologische Haltung in Ställen mit überdachtem Außenklimabereich und natürlichem Licht ausgelegt, während die üblichen Hochleistungstiere für solche Bedingungen zu empfindlich sind.


Die Suche nach Alternativen in der Geflügelzucht ruft auch die Wissenschaft auf den Plan: So hat das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Mecklenburg-Vorpommern seine Forschungsaktivitäten entsprechend erweitert und eine neue »Experimentalanlage Geflügel« angelegt. Ein Forschungsgegenstand ist das neu gezüchtete Zweinutzungshuhn »Lohmann Dual«, dessen Einsatz in der Mast und in der Eierproduktion getestet werden soll.


Die Zucht »neuer« robusterer Hybridlinien ist ein langfristiges Projekt. Soll kurzfristig auf robustere Masttiere umgestellt werden, ist man auf die bereits vorhandenen Zuchten angewiesen. Die Alternative zu den hochgezüchteten Puten- und Hühnerlinien sind dann langsamer wachsende Hybride und Rassegeflügel, die auch in tierfreundlicheren Haltungssystemen zurechtkommen. Beispiele für solche robusteren Zuchtlinien sind bei den Hühnern der Rowan Ranger von Aviagen und Hubbard Premium von Groupe Grimaud. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Zweinutzungshuhn Les Bleues, das seit einiger Zeit erfolgreich vertrieben wird – allerdings noch nicht in einem Umfang, der z. B. bei den Rowan Rangers möglich ist. Entsprechende Putenlinien sind etwa Caringa von Hendrix Genetics, die Kelly Bronze, Hockenhull Turkeys sowie die Böcker Mini.

Fazit

Die heutigen Probleme in der Geflügelmast sind vielfältig. Um ihnen zu begegnen, sind neben Züchtern und Geflügelhaltern auch die Großabnehmer gefragt: Sie können Position beziehen und mit ihren Einkaufsstrategien die qualvollsten Lebensbedingungen der Puten und Hühner beenden. Weil sich Tierschutzprobleme so nur lindern aber nicht vollständig lösen lassen, sollte das pflanzliche Angebot parallel dazu ausgebaut werden.