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Käfigfrei ab 2026: Was noch zu tun ist

Die gesetzlichen Vorgaben zur Haltung von Legehennen haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten grundlegend verändert. Deutschland hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen – doch auch weltweit und insbesondere innerhalb der Europäischen Union zeichnen sich strukturelle Veränderungen ab.

Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft – allen voran Lebensmittelhersteller, Handel und Systemgastronomie – müssen nun entschlossen handeln. Eine Umstellung der Lieferketten ist unumgänglich, sowohl bei Schaleneiern als auch bei Eiern in verarbeiteten Produkten wie Teigwaren, Backwaren oder Fertiggerichten.

Seit 2015 klar: Ausstieg aus der Käfighaltung bis 2026

Die sogenannte Kleingruppenkäfighaltung, die nach dem Verbot konventioneller Käfige (»Legebatterien«) im Jahr 2010 als Übergangslösung eingeführt wurde, ist ab dem 1. Januar 2026 in Deutschland flächendeckend verboten. Diese Entscheidung wurde bereits 2015 im Bundesrat getroffen und stellt einen entscheidenden Fortschritt für den Tierschutz dar. Lediglich in eng begrenzten Härtefällen – etwa bei Betrieben, die kurz vor dem Verbot investiert haben – ist eine längere Übergangsfrist bis Ende 2028 zulässig.

Die Politik folgte damit einer breiten fachlichen Einschätzung, wonach auch modernisierte Käfigsysteme das Ausleben grundlegender Bedürfnisse der Tiere wie Scharren, Sandbaden und Flügelschlagen massiv einschränken bzw. unmöglich machen. In Kleingruppenkäfigen verbringen Hennen ihr gesamtes Leben auf einer Fläche kleiner als ein DIN-A4-Blatt, leiden nachweislich unter Schmerzen, Verletzungen und chronischem Stress. Aus diesen Gründen bewertet die Tierschutzfachwelt Käfighaltung als grundsätzlich grausam und nicht tierschutzgerecht.

Deutschland als Vorreiter – mit strukturellem Nachholbedarf

Im internationalen Vergleich präsentiert sich Deutschland bei der Abschaffung von Käfigen bereits fortschrittlich. Besonders im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) wurden Schaleneier und verarbeitete Eier aus Käfighaltung weitgehend aus den Regalen verbannt – vor allem bei Eigenmarkenprodukten. Doch trotz dieser Fortschritte bleibt ein strukturelles Problem bestehen: Über Importe gelangen weiterhin Eier aus Käfighaltung in die deutsche Lebensmittelproduktion. Dies betrifft nicht nur die Außer-Haus Verpflegung und ihre Zulieferer, sondern auch verarbeitete Produkte im Einzelhandel.

Aktuell (2024) sind in Deutschland noch rund 1,9 Millionen Hennen (4,3 % des Bestands) in Kleingruppen­käfigen untergebracht. Gleichzeitig importierte Deutschland 2024 8,2 Milliarden Schaleneier sowie umgerechnet 2,4 Milliarden Eier in Form von Flüssig- und Pulver­ei – das sind zusammen gut 10 Milliarden Eier. Da die Herkunft bei verarbeiteten Eiern nicht deklariert werden muss, stammt wahrscheinlich ein großer Teil dieser Importe weiterhin aus Käfighaltungen. Der Selbstversorgungsgrad in Deutschland lag 2024 nur noch bei 72 %, ganze 28 % des Bedarfs werden also durch Importware gedeckt.

Das Tierschutzranking 2024 der Albert Schweitzer Stiftung unterstreicht den Handlungsbedarf: Zwar bieten etwa drei Viertel der großen Einzelhandelsunternehmen ausschließlich Schaleneier mit KAT-Zertifizierung an, doch bei verarbeiteten Eiern in Eigenmarkenprodukten bestehen weiterhin gravierende Defizite. Besonders in Supermärkten wie Edeka und Discountern wie Netto ist die Umstellung in diesem Bereich bislang unzureichend erfolgt. Die vollständigen Ergebnisse unserer Untersuchung sind hier abrufbar.

Großhandel im Fokus: Vorbilder und Versäumnisse

Während sich der LEH schrittweise zu höheren Standards verpflichtet, bleibt der Großhandel oft noch intransparent. Viele Anbieter haben bisher nur ein Commitment zum Verkauf von käfigfreien Schaleneiern, aber verweigern ein öffentliches Bekenntnis gegen verarbeitete Käfigeier. Dabei spielt der Großhandel eine zentrale Rolle als Zulieferer für Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung.

Es gibt jedoch positive Ausnahmen: Metro, Transgourmet und Selgros haben sich klar gegen Käfighaltung positioniert und ihre Eigenmarken umgestellt. Diese Unternehmen zeigen: Ein Verzicht auf Käfigeier ist nicht nur möglich, sondern auch marktwirtschaftlich sinnvoll.

Großhändler, die jetzt proaktiv umstellen, sichern sich Mengenvorteile, festigen Kunden­beziehungen und positionieren sich als zukunfts­fähige Partner in einer Lebensmittelwirtschaft ohne Käfigeier.

Das sollten Unternehmen jetzt tun

Die Albert Schweitzer Stiftung appelliert an Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft zu einer eindeutigen und umfassenden Abkehr von Käfigeiern – sowohl bei Schaleneiern als auch bei verarbeiteten Produkten. Der gesetzliche Rahmen und die gesellschaftlichen Erwartungen lassen keinen Spielraum mehr für Verzögerungen.

Handlungsrahmen im Überblick:

  • Vollständiger Verzicht auf Käfighaltung, einschließlich der sogenannten Kleingruppenkäfighaltung.

  • Verzicht auf das Kürzen der Schnäbel bei Legehennen.

  • Verzicht auf das Töten männlicher Küken.

  • Alternativ: ausschließliche Nutzung von KAT-zertifizierten Eiern, auch bei verarbeiteten Produkten und internationalen Lieferketten.

Diese Standards bilden das notwendige Minimum für eine verantwortungsvolle Tierschutzstrategie. Darüber hinaus erwarten wir von Unternehmen ein öffentliches Statement auf der Unternehmenswebseite: Ab sofort – und dauerhaft – werden keine Käfigeierprodukte (einschließlich solcher aus Kleingruppenhaltung) mehr verwendet.

Europäische Perspektive: Verzögerungen und Chancen

Auf EU-Ebene verläuft der Prozess langsamer als in Deutschland. Bereits 1999 wurde mit der Richtlinie 1999/74/EG ein Verbot der konventionellen Käfighaltung beschlossen – ein Meilenstein, der 2012 in Kraft trat. Dieses Verbot führte zwar zu Veränderungen in der Produktionsstruktur, doch betraf es nur klassische Batteriekäfige. Kleingruppenkäfige blieben zulässig, was viele Mitgliedstaaten als ausreichende Anpassung betrachteten. Ein weitergehender politischer Wille zur vollständigen Abschaffung von Käfigsystemen fehlte bislang auf EU-Ebene.

Erst 2018–2019 forderten über 1,4 Millionen BürgerInnen im Rahmen der Initiative »End the Cage Age« ein EU-weites Käfigverbot – nicht nur für Legehennen, sondern für alle landwirtschaftlich genutzten Tiere. Obwohl die EU-Kommission ursprünglich bis Ende 2023 gesetzgeberisch aktiv werden wollte, gab es Verzögerungen. Der neue Kommissar für Tierschutz, Olivér Várhelyi, kündigte inzwischen an, im Jahr 2026 die ersten legislativen Schritte einzuleiten – beginnend mit der Haltung von »Legehennen«.

Neben Deutschland setzen auch andere Mitgliedstaaten inzwischen eigene Deadlines: Die Niederlande haben erst Anfang Juli 2025 beschlossen, die Käfighaltung von Hennen ab 2035 vollständig zu verbieten; Neubauten dürfen bereits ab 2027 keine Käfigsysteme mehr installieren. Ebenso haben Österreich (seit 2020), Luxemburg (bereits umgesetzt) und Tschechien (ab 2027) das Aus für Kleingruppen­käfige gesetzlich fixiert. Schweden ist das erste und bisher einzige Land, in dem es keine Käfighaltung mehr gibt, obwohl kein gesetzliches Verbot existiert.

Neue Dynamik könnte außerdem durch die Open Wing Alliance, einen weltweiten Zusammenschluss von fast 100 Tierschutz­organisationen, entstehen: Am 17. Juni 2025 startet mit der »Biggest Egg Investigation ever« die bislang umfangreichste Untersuchung zur Käfighaltung in Europa. Unternehmen, die ihre Lieferketten noch nicht angepasst haben, sollten dies spätestens jetzt tun, um in der Öffentlichkeit nicht negativ aufzufallen.

Fazit: Handeln lohnt sich

Die Abschaffung der Käfighaltung ist längst gesellschaftlicher Konsens und gesetzlich unumkehrbar. Unternehmen, die nun entschlossen handeln, stärken nicht nur den Tierschutz, sondern sichern zugleich ihre Marktposition, fördern die heimische Landwirtschaft und stärken das Vertrauen von VerbraucherInnen nachhaltig.

Spätestens jetzt ist der Moment zu handeln – im Interesse der Tiere, der KundInnen und des eigenen Unternehmens.