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LEH: Tierschutz-Ranking 2020

Mit unserem aktuellen Tierschutz-Ranking legen wir zum ersten Mal eine ausführliche Bewertung der LEH-Tierschutzstandards in Deutschland vor. Dafür haben wir die Tierschutz-Richtlinien der großen deutschen Lebensmitteleinzelhändler genau unter die Lupe genommen. Die Unternehmen konnten in insgesamt 14 Themenbereichen Punkte sammeln: Neben den Richtlinien für zwölf Tiergruppen bewerteten wir die Negativlisten (z. B. Verzicht auf Produkte aus besonders grausamen Haltungsbedingungen) sowie Standpunkte zu weiteren übergeordneten Themen wie etwa den Five Provisions and Welfare Aims.


Die Ergebnisse im Überblick


Ranking-Grafik


Die Unternehmen teilen das Feld klar unter sich auf: Tegut landet mit großem Abstand auf dem ersten Platz. Die Plätze zwei bis vier belegen Aldi (Nord und Süd), Lidl und Kaufland. Im Hinblick auf ihr Gesamtergebnis liegen sie dicht beieinander. Auf den Plätzen fünf bis elf landen die Schlusslichter des Rankings, die jeweils weniger als 20 % der Maximalpunktzahl erreicht haben.


Unsere Auswertung zeigt eine insgesamt leicht positive Tendenz gegenüber unserem Vergleich der LEH-Tierschutzstandards aus dem Jahr 2017: Der Trend geht zu mehr und besseren Tierschutz-Maßnahmen. Allerdings schreitet die Entwicklung nur langsam voran und es gibt nach wie vor viel Luft nach oben. Je nach Themenbereich konnten wir teilweise große individuelle Unterschiede zwischen den Einzelhändlern feststellen.

Die Ergebnisse der Unternehmen im Detail

Platz 1: Tegut

Bei Tegut fällt positiv auf, dass das Unternehmen für viele landwirtschaftlich genutzte Tiere höhere Standards erarbeitet und sich, im Gegensatz zu anderen Einzelhändlern, dabei nicht nur auf einige wenige Tierarten beschränkt hat. Bei den meisten Themen liegt Tegut vor oder gleichauf mit den anderen Unternehmen. Erfreut hat uns auch die präzise Formulierung der Richtlinie: Geltungsbereiche werden deutlich benannt. Außerdem setzt sich Tegut Fristen und veröffentlicht Fortschrittsberichte.


Großes Potenzial für Verbesserungen sehen wir bei Tegut in den nächsten Jahren besonders in der Ausweitung des Geltungsbereichs einzelner Maßnahmen auf das gesamte Eigenmarkensortiment.


Aldi Nord und Aldi Süd, die mit ihrer gemeinsamen Einkaufsrichtlinie für Deutschland zusammen in unserem Ranking auftreten, landen mit einem hauchdünnen Vorsprung auf dem zweiten Platz. Das verdankt Aldi unter anderem einer relativ soliden Negativliste (u. a. konsequenter Verzicht auf Hummer, Kaninchen sowie Produkte von exotischen oder geschützten Tieren). Erfreulich ist auch die Aufnahme der Five Provisions and Welfare Aims und die Mitgliedschaft im Initiativkreis Tierschutzstandards Aquakultur.

Nachholbedarf sehen wir bei Aldi eindeutig beim vollständigen internationalen Verzicht auf Eier aus Käfighaltung sowie beim konsequenten Ausstieg aus dem Schnabelkürzen. Wir vermissen außerdem ein klares Bekenntnis gegen die Haltungsstufe 1 der »Haltungsform«-Kennzeichnung. Bei den spezifischen Maßnahmen für die einzelnen Tierarten bewegt sich Aldi in der Regel im unteren Drittel aller möglichen Punkte.
Lidl punktet ebenfalls mit den Five Provisions and Welfare Aims und der Mitgliedschaft im Initiativkreis Tierschutzstandards Aquakultur. Beim Einsatz für bessere Standards in der Junghennenaufzucht wartet Lidl mit den konkretesten Forderungen auf – hier kommt es jetzt darauf an, bei den Verhandlungen nicht nachzugeben. Erfreulich ist, dass Lidl eine Auslistung der Haltungsstufe 1 beabsichtigt. Leider bleibt das Unternehmen dabei aber zeitlich unverbindlich. Die Zukunft wird zeigen, wie ernst es Lidl mit diesem Ziel wirklich ist.

Wir sehen viel Potenzial für Lidl, sich künftig im Tierschutz hervorzutun: Das Unternehmen muss endlich auch global aus der Verwendung von Käfigeiern aussteigen und darf die bereits angekündigte Prüfung der Masthuhn-Initiative nicht auf die lange Bank schieben. Außerdem erwarten wir, dass Lidl seine bisher nur vorsichtig formulierten oder lediglich vorübergehend umgesetzten Maßnahmen in der Milchkuh- und Mastrind-Haltung ausweitet und konkretisiert. Nachholbedarf gibt es außerdem bei der Positionierung gegen Kastenstände bei Zuchtsauen.
Kaufland ist es nicht gelungen, im engen Rennen um die Top-Plätze genug Punkte zu erzielen. Dabei enthält die Richtlinie des Unternehmens einige erfreuliche Entwicklungen: Kaufland ist Mitglied im Initiativkreis Tierschutzstandards Aquakultur und hat eine globale Käfigfrei-Policy, die ab 2025 auch für verarbeitete Produkte gilt. Weiterhin will das Unternehmen die Haltungsstufe 1 auslisten und führt Projekte zur Verbesserung der Milchkuh-Haltung durch. Wir bauen darauf, dass Kaufland zeitnah die Five Provisions and Welfare Aims als aktuelles Tierschutz-Konzept aufnehmen wird und deutlich mehr starke, weitreichende Maßnahmen entwickelt.
Die Rewe Group folgt mit deutlichem Abstand auf Platz fünf und führt damit die Riege der Schlusslichter an. Das Unternehmen erreichte weniger als 20 % der möglichen Gesamtpunktzahl, hat aber erstmals eine umfassende Tierschutz-Policy vorgelegt und befindet sich damit auf einem guten Weg. Wir versprechen uns viel von der Ausweitung diverser Pilotprojekte auf größere Geltungsbereiche und sehen bei allen Tiergruppen deutliches Verbesserungspotenzial.
Real hat sich als eines von wenigen Unternehmen den Ausbau und die Verbesserung des veganen Angebots auf die Fahnen geschrieben, wofür es Pluspunkte gab. Leider fehlen aber konkrete und umfassende Maßnahmen zur Verbesserung von Haltungsbedingungen.
Da Edeka genossenschaftlich organisiert ist, können die einzelnen Händler in großem Maße unabhängig agieren. Damit erklärt das Unternehmen die Tatsache, dass es keine umfassenden Tierschutz-Vorgaben macht bzw. entsprechende Richtlinien veröffentlicht. Nach Angaben der Edeka-Zentrale stellen die öffentlich zugänglichen Richtlinien nur einen Bruchteil der im Unternehmen geltenden Einkaufsrichtlinien dar. Nach unserem Verständnis sind die internen Richtlinien aber nicht verbindlich.
Auch Norma basiert seine Tierschutz-Einkaufsrichtlinien auf den Five Provisions and Welfare Aims. Erfreulicherweise positioniert sich das Unternehmen klar zugunsten von Ebermast und Immunokastration. Es formuliert zudem erste Ziele und Maßnahmen für einige weitere Tierarten und Themen – insgesamt ist Norma aber noch viel zu zurückhaltend bei der Umsetzung.
Netto hat bisher noch keine in sich geschlossenen Tierschutz-Richtlinien und veröffentlicht stattdessen einzelne Punkte auf seiner Webseite. Hier sehen wir massiven Nachholbedarf. Mit den wenigen abgedeckten Themen, wie zum Beispiel dem nur unvollständigen Verzicht auf Käfigeier, kann Netto nicht überzeugen.
Auch bei Bela macht es sich bemerkbar, dass bisher keine umfassenden Einkaufsrichtlinien veröffentlicht wurden. Alle Bereiche haben massiven Ausbaubedarf. Anders als in unserem Vergleich der Richtlinien 2017 haben wir hier die für den gesamten Bartels-Langness-Konzern geltenden Policies ausgewertet.
Bei Globus hat es nur für den letzten Platz gereicht. Einige wenige Punkte gab es für das unvollständige Käfigfrei-Commitment für Deutschland – international gibt es dazu keine Positionierung des Unternehmens.

Ausgewählte Themen im Detail

Guter Schnabelkürz-Ausstieg bei Legehennen

Leider ist der Irrglaube verbreitet, dass es mit dem Verzicht auf das Schnabelkürzen bei Junghennen getan ist. Durch die mangelhaften Haltungsbedingungen sowie die zu hohen Besatzdichten entstehen jedoch Verhaltensstörungen wie Federpicken oder Kannibalismus. Ein erfolgreicher Ausstieg aus dem Schnabelkürzen ist deshalb erst dann erreicht, wenn mit entsprechenden Verbesserungen der Haltungsbedingungen dafür gesorgt wird, dass die Tiere sich (auch bei hinreichend viel Licht) nicht gegenseitig verletzen. Ein vernünftiger Kompromiss zwischen den Interessen von Tiernutzern und Tierschutz wäre es, die Empfehlungen des LAVES-Leitfadens für alle Eier-Lieferanten verbindlich zu machen.



Einige Unternehmen haben ihr Bestreben formuliert, sich für Verbesserungen in der Junghennenhaltung einzusetzen. Lidl wird hier am konkretesten: Es werden die drängendsten Probleme angesprochen, die verpflichtende Nutzung des LAVES-Leitfadens als Ziel formuliert und ein intensiver Einsatz für diese Verbesserungen angekündigt.


Masthühner

Unternehmen, die sich zur Unterstützung und Umsetzung der Europäischen Masthuhn-Initiative bekennen, konnten in diesem Themenfeld punkten. Leider hat sich von den bewerteten Unternehmen lediglich Tegut der Initiative angeschlossen – und das mit einer zu starken Einschränkung: Das Commitment gilt nur für eine Eigenmarke. Erfreulicherweise prüft das Unternehmen derzeit eine Ausweitung auf alle Eigenmarken.

Ferkelkastration

Die Tierschutzbewegung ist sich inzwischen einig, dass ein erfolgreicher Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration auf eine breite Unterstützung der Immunokastration angewiesen ist, die nur sehr geringe Eingriffe am Tier erfordert. In unserem Ranking haben wir daher ein klares Bekenntnis zu dieser Kastrationsmethode positiv bewertet. Punktabzug gab es dagegen für die chirurgische Kastration mit Lokalanästhesie (»4. Weg«) und andere Eingriffe am Tier, wie etwa das Schwanzkürzen.


Gesamtsieger Tegut hinkt bei diesem Thema hinterher und plant, weiter Eingriffe am Tier vorzunehmen, statt auf Ebermast oder Immunokastration zu setzen. Lidl, Kaufland und Aldi haben immerhin (unverbindliche) Ziele formuliert und wollen die Immunokastration einführen.

Zuchtsauen in Kastenständen

Bei der Verbesserung der Haltung von Zuchtsauen zeigt sich ein dramatisches Bild: Nur wenige Unternehmen sprechen das Thema Kastenstände in ihren Richtlinien überhaupt an; über schwammig formulierte Absichtsbekundungen geht keines hinaus. Hier muss eindeutig mehr passieren, wenn die Unternehmen es mit der Anhebung von Tierschutzstandards ernst meinen.

Milchkühe

Beim Themenbereich »Milchkühe« haben wir uns insbesondere an der von der Tierschutzbewegung formulierten Prioritätenliste zur Erhöhung des Tierschutzniveaus in der Milchkuhhaltung orientiert. Zu den darin geforderten Maßnahmen gehören beispielsweise das Ende der Anbindehaltung, der Schlachtung trächtiger Kühe und der zootechnischen Eingriffe.


Das Feld teilt sich bei diesem Thema deutlich in die ersten fünf und die letzten sechs Plätze auf, wobei Tegut und Kaufland klar vorn liegen. Zur Anbindehaltung äußern sich Aldi, Lidl, Kaufland, Real und Tegut am konkretesten. Leider konzentrieren sie sich aber auch hier nur auf Ziele für einzelne Eigenmarken(-produkte). Insbesondere mit der vollständigen Abschaffung der Anbindehaltung tun sich alle Unternehmen schwer.

Aquakultur

Im Rahmen des von uns initiierten Initiativkreises Tierschutzstandards Aquakultur tauschen wir uns seit dem Jahr 2018 mit Akteuren aus Einzelhandel, Wissenschaft, Verbänden und Behörden intensiv darüber aus, wie sich Tierschutzstandards in Aquakulturen schaffen und erhöhen lassen. Erfreulicherweise sind sechs Unternehmen aus dem LEH Mitglieder im Initiativkreis und nehmen aktiv daran teil – das wurde im Ranking mit Punkten belohnt. Abzüge gab es dabei für Rewe und Edeka, weil diese Unternehmen ihr Engagement nicht selbst kommuniziert haben.


So positiv diese ersten Schritte der Unternehmen auch sind: Es bleibt noch viel Arbeit, denn die Commitments müssen jetzt mit Leben gefüllt werden.

Negativliste und übergeordnete Themen

Bei der Analyse der Negativlisten der Unternehmen haben wir unter anderem darauf geachtet, ob die Unternehmen vollständig auf Produkte aus besonders grausamen Haltungs- oder Produktionsbedingungen verzichten. Dazu gehören beispielsweise Hummer, Stopfleber und Pelz. Gesamtsieger Tegut ist mit seiner Negativliste Vorreiter, dicht gefolgt von Aldi. Weit abgeschlagenes Schlusslicht ist Globus.


Zu den ebenfalls bewerteten »übergeordneten Themen« gehört unter anderem der Umgang der Unternehmen mit der »Haltungsform«-Kennzeichnung des Einzelhandels, der sich diverse Händler angeschlossen haben. Unsere Forderung, die Haltungsform-Stufe 1 abzuschaffen, da sie lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen abdeckt, unterstützen Lidl, Kaufland und Rewe – allerdings nur mit unverbindlich formulierten Zielen. Ebensowenig erfreulich sind die Richtlinien der Unternehmen zum Ausbau des veganen Angebots. Sie sind häufig noch zu unverbindlich formuliert und lassen damit eine konkrete Positionierung vermissen. Lediglich Tegut und Real geben konkret an, dass sie ihr veganes Angebot ausbauen wollen. Erfreulicher sind die Ergebnisse bezüglich der Five Provisions and Welfare Aims: Fünf Unternehmen nutzen diese Standards mittlerweile und haben sich damit von den überholten »Fünf Freiheiten« verabschiedet.

Unser Fazit

Mit der enormen Einkaufsmacht des LEH geht auch große Verantwortung einher: Die Unternehmen können maßgeblich beeinflussen, welche Tierschutzstandards in der Breite angehoben werden. Leider kommen sie dieser Verantwortung bisher nur mangelhaft nach.


Die Händler haben sich in den letzten Jahren jedoch auf einen guten Weg gemacht. Dass viele von ihnen mittlerweile Tierschutz-Richtlinien formuliert und veröffentlicht haben, ist erfreulich. Jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt: Die konkrete Umsetzung, Verbesserung und Dokumentation der formulierten Maßnahmen, damit sich tatsächliche Fortschritte für den Tierschutz ergeben. Die Geltungsbereiche müssen außerdem auf alle Eigenmarken ausgeweitet werden – aus Leuchtturmprojekten müssen Maßnahmen werden, die in der gesamten Sortimentsbreite wirken.


Wir werden die Fortschritte der Unternehmen bei unserem nächsten Ranking in zwei Jahren erneut auf den Prüfstand stellen.

Wie haben wir bewertet?

Im Sommer 2019 haben wir die größten deutschen Lebensmitteleinzelhändler (nach Umsatz) um die Einsendung ihre aktuellen, öffentlich zugänglichen Richtlinien gebeten. Eigene Recherchen von Dokumenten, Webseiten etc. haben wir nicht vorgenommen. Stand der bewerteten Richtlinien ist Oktober 2019.


Die Unternehmen konnten in 14 Themenbereichen Punkte sammeln: 12 Tiergruppen, die Negativliste und übergeordnete Themen. Die Themenbereiche wurden abhängig von verschiedenen Faktoren (z. B. dem jährlichen deutschlandweiten Umsatz mit einer Tiergruppe oder Schlachtzahlen) gewichtet.


Bewertet wurde die Umsetzung der in den Richtlinien beschriebenen Maßnahmen (für voll umgesetzte Maßnahmen gab es die volle Punktzahl) sowie der Geltungsbereich: Die meisten Punkte erhielten die Richtlinien, die das gesamte Sortiment aus Eigen- und Herstellermarken abdecken. Das Gesamtergebnis eines Unternehmens pro Thema (in %) stellt das Verhältnis zur möglichen Gesamtpunktzahl dar.


Da der Geltungsbereich (in Bezug auf Eigenmarken) von der Größe des jeweiligen Eigenmarkenanteils eines Unternehmens abhängt, ziehen wir die Berücksichtigung dieses Faktors in zukünftigen Rankings in Betracht.


Detaillierte Informationen zu unserer Methodik finden Sie im Reader zum Ranking.