Cookie Consent by PrivacyPolicies.com
Informiert bleiben Icon Papierflieger

Fleischalternativen auf Erfolgskurs

Covid-19 stellt die Fleischindustrie auf den Kopf. Kunden ändern ihr Kaufverhalten und begegnen der Branche nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Virusausbrüche in Fleischfabriken immer skeptischer. Zudem sind viele der üblichen Vertriebswege weggebrochen. Verluste in Milliardenhöhe sind die Folge.


Vielversprechend sieht dagegen die Situation für Hersteller pflanzlicher Alternativprodukte aus: StartUps in diesem Bereich sicherten sich während der letzten Monate Finanzierungen in Höhe von vielen Millionen Dollar und die Verkaufszahlen pflanzlicher Fleischalternativen schossen in die Höhe. In den USA verzeichnete man bis zum 2. Mai eine Steigerung von satten 264 % innerhalb von neun Wochen. Gleichzeitig arbeiten junge Unternehmen fieberhaft daran, als erste Fleischprodukte aus Zellkulturen in die Supermärkte zu bringen – Fleisch also, für das Tiere weder gezüchtet noch geschlachtet werden müssen. Wir fassen einen Bericht der Business-Analytics-Plattform CB Insights zusammen, der die aktuellen Entwicklungen und spannendsten StartUps vorstellt.

Große Fleischunternehmen steuern um

Die Wirtschaftsanalysten von CB Insights beschreiben in ihrem Bericht, wie sehr StartUps und die sich wandelnden Kundenwünsche die großen Fleischunternehmen unter Druck setzen – und welche Folgen das hat: JBS, das größte Fleischunternehmen der Welt, hat im Juni sein eigenes fleischloses Proteinprodukt auf den Markt gebracht. Tyson, Smithfield, Hormel und Cargill haben ebenfalls pflanzliche Alternativen im Angebot. In Deutschland zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab: Hierzulande gehören die Rügenwalder Mühle, die PHW-Gruppe, Ponnath und Vossko zu den traditionellen Fleischunternehmen, die auf den veganen Markt drängen.

Die wichtigsten StartUps

Pflanzliche Fleischalternativen

Die Branchenexperten von CB Insights stellen in ihrem Bericht die wichtigsten StartUps im Bereich pflanzlicher Alternativen vor. Bei den Fleischalternativen sind hier allen voran Beyond Meat und Impossible Foods zu nennen.


Der Wert von Impossible Foods wurde im März auf 4 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das Unternehmen wächst rasant und vertreibt seine Produkte über Restaurants wie Burger King und Starbucks in den USA und bald auch in China. Hauptkonkurrent Beyond Meat ist an der Börse mit 10 Milliarden US-Dollar bewertet und hat vor allem die Kunden im Supermarkt im Blick. Nach seinem aufsehenerregenden Börsengang im Mai 2019 hat das Unternehmen aber ebenfalls Kooperationen mit großen Einzelhandelsketten sowie mit Dunkin’ Donuts und Starbucks in China abgeschlossen. Bis Ende 2020 will Beyond Meat eine eigene Produktionsanlage in Asien eröffnen.

Fleisch aus Zellkulturen

Es hat sich einiges getan, seit Dr. Mark Post im Jahr 2013 den weltweit ersten Hamburger aus Zellkultur-Rindfleisch vorgestellt hat. Beispielsweise präsentierte das StartUp Memphis Meats aus San Francisco 2016 und 2017 seine Fleischbällchen sowie Hühnchen- und Entenprodukte aus Zelllkulturen. Das Unternehmen gibt an, dass es im Vergleich mit traditionellen Fleischproduzenten nur 1 % der Landfläche und 1 % des Wassers verbraucht. Im nächsten Jahr sollen bereits die ersten Produkte in die Läden kommen. Das gilt auch für die Würstchen des Unternehmens New Age Meats, das bereits Förderungen in Höhe von fast 3 Millionen Dollar eingeworben hat. Solche ambitionierten Zeitplanungen sind zwar immer mit Vorsicht zu genießen, zeigen aber, wie schnell und zielstrebig die Branche sich weiterentwickelt.

Fischalternativen

Den Ozeanen droht der Kollaps – es ist unmöglich, der starken Nachfrage nach Fisch nachhaltig gerecht zu werden. Alternativprodukte indes können den Druck auf die Weltmeere entscheidend reduzieren. Zu den vielversprechendsten StartUps in dieser Branche gehören:
  • Good Catch Foods (das Unternehmen hat bereits mindestens 51 Millionen Dollar im Rücken und produziert Thunfisch-Alternativen sowie pflanzliche »Fisch«-Bratlinge)
  • Finless Foods (Fisch aus Zellkulturen)
  • New Wave Foods (Shrimps auf der Basis von Erbsenprotein und Algen)
  • Wild Type (Lachs aus Zellkulturen)

Alternativen für Milch und Eier

Die Coronakrise hat nicht nur den Herstellern von Fleischalternativen glänzende Verkaufszahlen beschert. Auch Milchalternativen wurden verstärkt nachgefragt – allen voran Hafermilch: In den USA stieg der Verkauf in der ersten Märzwoche um 347 % an (verglichen mit dem Vorjahr), während die Nachfrage nach Kuhmilch sank.


In den USA konsumieren die Menschen aktuell bereits 40 % weniger Milch als im Jahr 1975. Das zwingt die Unternehmen laut CB Insights dazu, entweder umzusteuern und pflanzliche Alternativen ins Angebot aufzunehmen oder aber ihren Bankrott zu erklären (wie etwa Dean Foods im vergangenen Jahr).


Die Hersteller von Milch- und Ei-Alternativen sammeln währenddessen erfolgreich Investitionsgelder ein:
  • Ripple Foods, ein Hersteller von Milch aus Erbsenprotein, konnte kürzlich 30 Millionen Dollar einsammeln, unter anderem von Google Ventures. Damit beläuft sich die offengelegte Gesamtfinanzierung des Unternehmens auf 151 Millionen Dollar.
  • Perfect Day verwendet Fermentation, um Milch ohne Kuh herzustellen. In der aktuellen Finanzierungsrunde konnte das StartUp insgesamt 300 Millionen Dollar einsammeln.
  • NotCo nutzt künstliche Intelligenz, um eifreie Mayonnaise herzustellen. Im April 2020 konnte sich das StartUp 33 Millionen Dollar Investitionen sichern.
Schließlich ist noch Just (ehemals Hampton Creek) zu nennen: Das US-amerikanische Unternehmen produziert seit 2018 vegane Mayonnaise, hat aber seitdem auch weitere »Eier«produkte ins Angebot aufgenommen. Im Februar kündigte Just eine Kooperation mit dem Catering-Unternehmen Sodexo an. Bis Juni 2020 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben das Äquivalent von 40 Millionen Hühnereiern verkauft.

Große Konzerne fördern die fleischlose Zukunft

Die größten Fleisch- und Lebensmittelkonzerne der Welt verkaufen nicht nur bereits selbst pflanzliche Alternativen, sondern fördern auch vielversprechende StartUps mit Investitionen:
  • Cargill zum Beispiel hat in Aleph Farms und Memphis Meats investiert
  • Tyson Ventures hat unter anderem Memphis Meats, Beyond Meat und New Wave Foods im Portfolio
  • Nestlé kündigte im Mai 2020 an, sich mit 100 Millionen Dollar an einer Fabrik für pflanzliche Lebensmittel in China zu beteiligen
  • Die Risikokapitalgesellschaft von General Mills, 301 Inc, ist in diversen pflanzlichen StartUps investiert, darunter auch Beyond Meat
Doch nicht nur Konzerne, sondern auch Staaten investieren in die fleischlose Zukunft: Im September 2017 kündigte China einen 300 Millionen Dollar schweren Deal für den Import von Fleisch aus Zellkulturen von drei israelischen Unternehmen an – SuperMeat, Future Meat Technologies und Meat The Future. Dieses Vorhaben ist Teil eines umfassenderen Plans, den Fleischkonsum des Landes um 50 % zu senken.

Herausforderungen für Fleisch aus Zellkulturen

Pflanzliche Alternativen sind bereits auf Erfolgskurs – aber wie vielversprechend ist Fleisch aus Zellkulturen? Laut CB Insights müssen die StartUps in diesem Bereich einige Herausforderungen überwinden. Eine davon sei die »psychologische Barriere«: Verbraucher müssten erst einmal an den Gedanken gewöhnt werden, kein Fleisch vom Tier zu essen. Eine aktuelle Studie zeigt aber, dass dies zumindest in Deutschland leichter sein dürfte als gedacht. Die verantwortlichen Forscher bezeichnen die Meinung der Deutschen zu Fleisch aus Zellkulturen sogar als »enthusiastisch«. Die meisten Befragten (56 %) würden demnach Fleisch aus Zellkulturen kaufen, wenn es verfügbar wäre und diese Produkte sogar den pflanzlichen Alternativen vorziehen – von Ekel also keine Spur.


Der hohe Preis sei laut CB Insights ebenfalls ein Hindernis. Jedoch darf man davon ausgehen, dass die Produktion von Fleisch aus Zellkulturen in den nächsten Jahren immer kostengünstiger werden wird. Just und Memphis Meats haben bereits Methoden entwickelt, Fleisch aus Zellkulturen ohne den teuren und ethisch sehr problematischen Inhaltsstoff FBS (fetal bovine serum) herzustellen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis Fleisch aus Zellkulturen zu verbraucherfreundlichen Preisen in den Supermarktregalen stehen wird.

Fazit

Pflanzliche Fleischalternativen haben sich in den letzten Jahren zur ernsthaften Konkurrenz für herkömmliche Fleischprodukte entwickelt. Nicht zuletzt während der Coronapandemie haben StartUps in diesem Bereich starken Aufwind erfahren. Ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Laufende Verbesserungen führen dazu, dass die Produkte hinsichtlich Geschmack, Textur und Nährwerten immer attraktiver werden. Spätestens wenn in einigen Jahren auch Fleischprodukte aus Zellkulturen zu konkurrenzfähigen Preisen in den Regalen stehen, werden sich Fleischkonzerne, die sich bis dahin nicht angepasst haben, ernsthafte Gedanken machen müssen.