Das Jahr 2018 war voller spannender Entwicklungen. Viele davon hinterlassen Herausforderungen für 2019 und danach.
Die Politik bringt wenig Gutes, Unternehmen sind gefragt
Aus unseren Gesprächen mit Unternehmen haben wir oft mitgenommen, dass wir mit unserer Enttäuschung über viele tierschutzpolitische Entwicklungen sowie ausbleibenden Maßnahmen nicht allein sind. In solchen Zeiten ist es umso wichtiger, dass Unternehmen ihre Tierschutzstandards anheben und Signale senden. Glücklicherweise ist das in 2018 oft geschehen. Ein Beispiel ist die Gründung der Global Coalition for Animal Welfare. Auch dass die Rabobank als einer der größten Finanzierer der Tierproduktion inzwischen in vielen Themen progressiver ist als die Bundes- und viele Landesregierungen, spricht Bände.
In 2019 wird es spannend, wie der LEH seine Tierschutz-Einkaufspolitiken weiterentwickelt und welche Unternehmen außerhalb des LEHs umfassende Regeln erstellen werden. Insbesondere ersteres werden wir über unseren Vergleich der LEH-Tierschutzstandards in Deutschland abbilden, mit dessen Erhebung wir im Herbst starten werden. Vorher werden wir uns damit beschäftigen, ob und wie wir die Einzelhandelsunternehmen diesbezüglich ranken können. Zum Vergleich: Im letzten Durchgang haben wir nur eine Gegenüberstellung vorgenommen.
Wie geht es mit den Ferkeln weiter?
Die Fristverlängerung für die betäubungslose Ferkelkastration ist beschlossene Sache. Der 4. Weg, der aus unserer Sicht eher eine Verschlimmbesserung wäre, scheint vorerst vom Tisch zu sein. Doch ob es dabei bleiben wird, ist äußerst fraglich. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Unternehmen alle drei Alternativen (Ebermast, Immunokastration, Kombination von Narkose und Schmerzmitteln) akzeptieren. Die Angst über die angeblich mangelnde Verbraucherakzeptanz der Immunokastration ist vor allem hausgemacht und muss abgelegt werden. Vertiefende Informationen finden Sie in diesem Positionspapier.
Standards für Masthühner: Europa startet Aufholjagd
Es ist ungewohnt, dass Europa den USA bei Tierschutzentwicklungen hinterherhinkt. Während sich die Zahl der US-Unternehmen mit deutlich erhöhten Masthuhn-Standards im Jahr 2018 von rund 50 auf über 100 verdoppelt hat, hat Europa in der zweiten Jahreshälfte aufgeholt. Diesseits des Atlantiks ist die Zahl von 2 auf 17 gestiegen. Derzeit arbeiten wir mit mehreren Unternehmen an der Formulierung von Unterstützungs-Statements für die Europäische Masthuhnforderung. Deshalb und weil immer mehr Tierschutzorganisationen in Europa zum Thema Masthühner aktiv werden, ist davon auszugehen, dass sich die Entwicklung in 2019 verstärken wird. Den aktuellen Stand können Sie stets aktuell auf der Website Chicken Watch verfolgen (Issue auf »Broiler« einstellen und den gewünschten Kontinent auswählen). Wenn Sie sich anschließen wollen, dann sind unsere Tipps zur Umsetzung sicherlich hilfreich.
Entwicklungen bei Küken und Legehennen
Spannend bleiben die Entwicklungen rund um die Geschlechtsfrüherkennung im Ei sowie um die Frage, ab welchem Tag das Schmerzempfinden der Embryos einsetzt. Genauso spannend bleibt, ob Unternehmen und Verbraucher die selektive Leistungszucht auf Eier/Fleisch in Frage stellen werden und ob sich Zeichen erkennen lassen, dass das Zweinutzungshuhn aus seiner Nische herauskommt.
Für die Legehennen sind Verbesserungen in der Aufzucht und Haltung notwendig, damit der Ausstieg aus dem Schnabelkürzen ein echter Fortschritt im Tierschutz wird. Bislang wurde den Legehennen sehr oft ein Bärendienst erwiesen, weil die Ursprünge von Federpicken und Kannibalismus nicht ausreichend angegangen wurden. Äußerst wichtig bleiben daher die Entwicklungen innerhalb von KAT, die wir beobachten und begleiten werden.
Höhere Standards für Milchkühe
Wir haben uns mit anderen Tierschutz-NGOs zusammengeschlossen und in 2017 eine Prioritätenliste für Verbesserungen in der Milchkuhhaltung erstellt. In 2018 haben einige Unternehmen sondiert und geplant, wie sie solche Schritte umsetzen können. Im nächsten Jahr wollen wir einen aktiven Beitrag zur Überwindung bestehender Hindernisse leisten. Details folgen.
Die (ehemals) vergessenen Tiere: Fische
Im Februar 2018 konnten wir bekanntgeben, dass wir mit Partnern an der Erstellung von Tierschutzstandards in Aquakulturen arbeiten. Seitdem haben sich immer mehr Stakeholder zusammengefunden, die dieses Thema angehen werden. Wir freuen uns schon sehr darauf, in 2019 mehr dazu verkünden zu können sowie konkrete Fortschritte zu sehen.
Zu lange ausgeblendet: überhöhter Tierprodukt-Verbrauch
In diesem Jahr sind die Stimmen rund um die katastrophalen Folgen der global wachsenden Tierproduktion immer lauter geworden. So betont z. B. eine in Science veröffentlichte Oxford-Studie, dass von allen verfügbaren Maßnahmen die pflanzliche Ernährung den größten Vorteil für unseren Planeten bringt – nicht nur bezüglich Treibhausgasen, sondern auch bezüglich des Flächen- und Wasserverbrauchs. Der Impact sei weit größer als der eines Umstiegs auf Elektroautos oder einer Reduktion von Flugreisen. Das World Resources Institute (WRI) und andere äußern sich ganz ähnlich und zum Glück auch immer lauter.
Der Handlungsbedarf ist also groß. Unsere Aufgabe sehen wir darin, Unternehmen einen Werkzeugkoffer an die Hand zu geben, mit dem sie die notwendigen Arbeiten angehen und ihren Tierprodukt-Verbrauch reduzieren sowie ihr pflanzenbasiertes Angebot ausbauen können. Einige der Werkzeuge wie unseren Leitfaden für die Großverpflegung kennen Sie vielleicht schon. Weitere Hebel zur Tierprodukt-Reduktion werden hinzukommen.
Grundsätzlich geht es darum, die bestehenden und prognostizierten Entwicklungen im Bereich pflanzlicher Produkte zu übertreffen und eine Abkehr von der Omnipräsenz von Tierprodukten anzugehen. Dabei hilft es, dass bereits 60 % der Deutschen fleischfreie Tage einlegen. Neben ökologischen Gründen ist das auch aus Tierschutz- und Gesundheitssicht der richtige Weg. All das gilt es auch verstärkt zu kommunizieren, um die Menschen mitzunehmen und für eine bessere Ernährung zu motivieren, anstatt sie ihnen aufzuzwingen.
Danke
Zum Abschluss möchten wir uns bei allen Menschen bedanken, die mit und/oder ohne uns daran gearbeitet haben, die Tierschutzstandards in ihren Unternehmen zu erhöhen sowie ihr pflanzliches Angebot auszuweiten und zu verbessern. Vor uns steht noch ein großer Berg an Aufgaben – packen wir sie gemeinsam an!